Spider-Man: A New Universe
Wie ernst die meisten Superheldenfilme doch geworden sind! Sicher: Da gibt es es Iron Man mit seinem staubtrockenen Humor, den seltsamen Göttersohn-Thor, dessen letztes Solo-Abenteuer von Taika Waititis Humor gekapert wurde, die anarchischen Guardians of the Galaxy oder das ausgelassene Spiel mit Großenverhältnissen in den Ant Man-Filmen. Aber letztlich geht es oft dann doch um Leben oder Tod, manchmal sogar um das Schicksal eines ganzen Universums. Ausgerechnet ein Animationsfilm sorgt jetzt für Abwechslung. Dass dafür Spider-Man gewählt wurde, schreckt zunächst ein wenig ab. Spider-Man? Reichen nicht drei Filme mit Toby Maguire? Zwei mit Andrew Garfield? Eineinhalb mit Tom Holland? Brauchen wir jetzt wirklich schon wieder ein Reboot mit einem weiteren Spider-Man? Wer sich auf diesen großartig animierten CGI-Film einlässt, hat darauf eine klare Antwort: Allerdings!
Obwohl die Geschichte mit dem Ur-Spider-Man Peter Parker anfängt, der seit einem Spinnenbiss über außergewöhnliche Fähigkeiten verfügt und als maskierter Superheld für Recht und Ordnung sorgt, räumt sie doch gleich in den ersten Minuten mit Wiederholungen auf. Selbstbewusst bewegt sich der Film durch das Universum der bisherigen Realfilme, zollt diesen Tribut und nimmt sie gleichzeitig humorvoll auf die Schippe. Danach folgt der eigentliche Clou, der auf der Frage beruht: Was wäre, wenn es nicht nur einen Spider-Man geben könnte, sondern mehrere? Und zwar gleichzeitig? Denn im Laufe der Comicgeschichte – und Spider-Man gibt es immerhin schon seit 1962 – hat es schon ganz unterschiedliche Spinnenmensch-Superhelden gegeben. Von merkwürdigen Gestalten wie einem schweineähnlichen Spider-Man, der eher an eine Parodie erinnert, über einen Spider-Man im Stil eines Film-Noir-Detektivs und eine Spider-Woman bis zu dem dreizehnjährigen schwarzen Teenager Miles Morales. Miles macht „Spider-Man – A New Universe“ nun zu seiner Hauptfigur und erzählt davon, wie dieser zufällig zum Superhelden wird, Peter Parkers Erbe antritt und dabei Unterstützung von allerlei anderen Spider-Man-Varianten erhält. Denn mit einer üblichen Zeit-Raum-Ordnung hat der Film nichts am Hut: Er wirbelt mehrere Erzählebenen durcheinander, verknüpft die unterschiedlichen Spider-Man-Universen und bleibt doch immer ganz nah bei seinem jugendlichen Helden, der seinen Weg erst noch finden muss.
Ein bisschen verhält sich der neue „Spider-Man“ zu dem Rest des Spider-Man-Universums wie „The Lego Batman Movie“ zu den „Batman“-Realfilmen: Er macht sich über sie lustig und legt deren Regeln offen, bestätigt diese aber zugleich und steht mit seiner Geschichte ebenbürtig neben diesen. So hat auch „Spider-Man – A New Universe“ Bestand neben den Realfilmen aus dem Marvel Cinematic Universe und bereichert dieses mit einer Leichtigkeit, die den großen Blockbustern verloren gegangen ist. Und nicht zuletzt erweist er sich als eine der vielleicht besten Comic-Adaptionen überhaupt. Mit seinem zweidimensionalen flächigen Look und der Farbgestaltung sucht der computeranimierte Film die Nähe zu den Vorlagen und wirkt fast schon altmodisch, mit seinen geteilten Bildern erinnert er an die Aufteilung einer Comicseite in unterschiedliche Panels. Und Texteinblendungen, die hier (im Gegensatz zur 1960er-Jahre „Batman“-Serie) gar nicht trashig wirken, gibt es auch noch. Gleichzeitig aber eröffnet die Computeranimation vollkommen neue Räume und besticht durch rasante Kamerabewegungen. Und wer weiß? Vielleicht haben die Filmemacher uns hier gezeigt, wo die wahre Zukunft des Superheldenfilms liegt. In der Animation.
Stefan Stiletto
Weitere Angaben
Filmtyp: Farbe
Sprachen: Deutsch, Englisch, Türkisch
Untertitel: Deutsch, Englisch, Türkisch