Schwarze Insel

Schon so manches Lob wurde auf Netflix angestimmt, weil der US-Streaming-Dienst mit seinen gewaltigen Programmoffensiven und internationalen Eigenproduktionen den Markt erfolgreich anheize und etablierte Kräfte wie die klassischen Fernsehsender zwinge, sich an neue Stoffe und Genres heranzuwagen. Grundsätzlich kann man dieser Beobachtung zustimmen. Häufig wird aber der Eindruck erweckt, alles, was Netflix an den Start bringe, sei innovativ und mitreißend. Tatsächlich dümpeln im Portfolio des von Reed Hastings geleiteten Medienunternehmens allerdings auch erstaunlich viele höchstens mittelmäßige Filme und Serien vor sich hin. Werke wie der deutsche Psychothriller „Schwarze Insel“, der aus einer verbotenen Beziehung zwischen einem Schüler und einer Lehrerin nur selten Spannung ziehen kann.
Was dich in im Film „Schwarze Insel“ erwartet:
Regisseur Miguel Alexandre („Arthur & Claire“, „Gran Paradiso – Aufbruch ins Leben“), der zusammen mit Lisa Carline Hofer das Drehbuch schrieb, weiht das Publikum bereits in den ersten Minuten ein, von wem die Bedrohung in „Schwarze Insel“ ausgeht. Als zunächst die Großmutter und dann die Eltern des Teenagers Jonas Hansen ums Leben kommen, hat eine junge Frau, die wir wenig später als neue Aushilfslehrerin Helena Jung kennenlernen, unübersehbar ihre Finger im Spiel. Nach den kurz aufeinander folgenden Schicksalsschlägen soll Jonas eigentlich zu Verwandten nach Bayern ziehen. Doch dann bietet ihm sein Großvater Friedrich, zu dem Jonas schon seit einiger Zeit keinen Kontakt mehr hatte, an, bei ihm einzuziehen. So könne er in Ruhe sein Abitur auf der heimischen Nordseeinsel ablegen. Der Vollwaise willigt ein und gerät schon bald in den Bann der unkonventionell auftretenden Helena, die den auf Mallorca angeblich in einen Unfall verwickelten Deutschlehrer vertritt. Obwohl es zwischen Jonas und seiner besten Freundin Nina knistert, lässt er sich auf eine Affäre mit Helena ein, die – wir erinnern uns – Böses im Schilde führt.
Lohnt sich ein Blick in „Schwarze Insel“ für mich?
Bewundernswert ist es allemal, wie sich Alice Dwyer („Die Unsichtbaren – Wir wollen leben“, „Heute bin ich blond“) in die Rolle des Racheengels wirft, auch wenn der Part unter dem Strich nicht viel hergibt. Dass Helena mordet und Jonas ins Visier nimmt, um erlittenes Unrecht heimzuzahlen, liegt auf der Hand. Alle Hoffnungen auf eine interessante Auflösung erweisen sich am Ende aber als großer Fehler. „Schwarze Insel“ knallt uns eine Erklärung vor den Latz, die gefühlt jeder zweite Fernsehkrimi anbietet. Profil erlangt die skrupellose Lehrerin in einigen Momenten nur deshalb, weil Dwyer mit viel Energie zur Sache geht. Protagonist Jonas wirkt dagegen reichlich blass. Hier und da wird erwähnt, dass der Oberstufenschüler schriftstellerisches Talent besitze. Für die Handlung spielt diese etwas behauptet wirkende Eigenschaft jedoch keine große Rolle. Überraschen kann die Geschichte im Grunde nur an einem Punkt, als sich Helena ein Problem mit drastischen Mitteln vom Hals hält. Ansonsten regiert eine Thriller-Dramaturgie nach Schema F. Schade ist das vor allem wegen der rauen, unheilvollen Inselbilder, die der auch als Kameramann fungierende Alexandre in den Kasten bringt. Das Setting scheint wie gemalt für einen kleinen effektiven Spannungsstreifen. Der 08/15-Plot untergräbt die Atmosphäre aber immer wieder.
Christopher Diekhaus
Weitere Angaben
Filmtyp: Farbe