Watchmen - Die Wächter
1985. Mit Hilfe der Superhelden hat Amerika den Vietnamkrieg gewonnen. Aber der Triumph hat den USA kein Glück gebracht. Der kalte Krieg mit seiner atomaren Bedrohung hängt wie ein Schatten über einem heruntergekommenen Land. Angst, Depression, Gewalt, wohin man sieht. Präsident Nixon, der vor seiner dritten Amtszeit steht, hat den alten Superhelden die rote Karte gezeigt. Nur Dr. Manhattan, der seit einem grauenhaften Unfall übernatürliche Kräfte hat, darf noch im öffentlichen Interesse arbeiten – als Ausgleich zum nuklearen Schrecken der Russen. Die anderen fristen ihr Leben unerkannt als Wissenschaftler wie Nite Owl II, sind dem Alkoholismus oder dem Wahnsinn verfallen, irren als morbide Einzelgänger durch dunkle Straßen wie Rohrschach oder vermarkten ihre glamouröse Vergangenheit mit Spielzeugfiguren wie Ozymandias. Eines Tages findet man den Comedian tot auf der Straße, aus dem Fenster seines Hauses geworfen. Der paranoide Rohrschach erkennt es als erster: Jemand will die alten Helden einen nach dem anderen ausschalten.
Der hoch gelobte Comic von Alan Moore und Dave Gibbons, der einzige Comic, der vom Time Magazine in die Liste der 100 besten literarischen Werke des 20. Jahrhundert aufgenommen wurde, zeichnet eine düstere Welt, in der ein Atomkrieg wahrscheinlich ist und die Finsternis der nächtlichen Straßen direkt aus der Seele der Menschen zu entspringen scheint. Die Superhelden der 1960er-Jahre sind vergessen. Manche haben ihren Kindern ihre Kostüme und ihre Aufgaben vererbt, aber die zweite Generation ist glücklos, fast froh über das Verbot ihrer Zunft. Wofür lohnt es sich noch zu kämpfen? Vor diesem düsteren Hintergrund porträtiert der Comic ebenso wie Zack Snyders Film seine Personen im Dilemma vertrackter moralischer Fragen. Wer setzt den Helden Grenzen? Wie viele darf man opfern, um alle zu retten? Was bedeutet die Menschheit und was zählt die Wahrheit? Wie schon in „300“ hat Snyder die Atmosphäre seiner Vorlage bravourös umgesetzt. Auch auf den Spuren der Watchmen folgt er manchmal präzise den Zeichnungen des Comics, löst sich wieder oder arbeitet eine Gewalt-Explosion der Vorlage in eine dynamische Actionszene um. Inhaltlich scheint die komplexe Story zunächst nur Weltschmerz auszudrücken. Beim zweiten Blick stellt sie reizvolle Spekulationen über die Grenzen der Allmacht an. Die Superhelden mögen zwar über den normalen Menschen stehen, doch verstricken sie sich immer wieder in allzu triviale Leidenschaften. Formal ist „Watchmen“ allemal ein Leckerbissen – angefangen beim genialen Vorspann. Ohne Zweifel brillant!
Albert Schwarzer