Venom

Wenn die erfolgreichste Filmreihe der Welt ein neues Kapitel in die Kinos bringt, dann kann sich das Studio eines Publikumsinteresses sicher sein: Es gibt genug Leute, die es sehen wollen – nämlich die Leserschaft der Marvel-Comics, auf denen diese Filmreihe beruht. Im jüngsten Kapitel geht es nun um die Kreatur „Venom“, die sich in den 90er Jahren zum populärsten Antihelden der gedruckten Comics mauserte. Passend dazu war die Vorschau der meist gesehene Trailer im ganzen „Spider-Man“-Franchise. Die Erwartungen himmelhoch, die Produktionsgeschichte holprig – was macht das Ergebnis her?
Bevor es um Venom geht, lernen wir Eddie Brock (Tom Hardy) kennen. Der ist ein investigativer Journalist mit einem Faible für brisante Storys. Als sein Verleger ihn zu einem lahmen Interview mit PR-Charakter schickt, hat Brock darauf keinen Bock. Zumal es um ein Unternehmen geht, deren Machenschaften er verachtet – die Life Foundation. Dass deren Chef, Dr. Carlton Drake (Riz Ahmed), nun sein neues Raketen-Programm bewerben will, das interessiert Brock nicht. Stattdessen fragt er Drake nach den berüchtigten Experimenten, die in den Laboren der Life Foundation angeblich stattfinden. Siehe da: So schnell kann ein Interview vorbei sein – und eine Karriere auch. Der einflussreiche Drake sorgt dafür, dass Brock seinen Job und sogar seine Frau (Michelle Williams) verliert. Währenddessen lässt Drake tatsächlich Obdachlose von den Straßen verschwinden und in seine Labore sperren. Dort will er die unschuldigen Menschen mit einer außerirdischen Lebensform verbinden, die in den Behältern der Life Foundation vor sich hin wabern. Es handelt sich um sogenannte Symbionten, die nur in Verbindung mit einem irdischen Organismus auf der Erde eine Gestalt annehmen können. Eine ziemlich schaurige Gestalt, wie Drake bald feststellen muss, als eines seiner Aliens aus den Laboren entführt wird – von niemand Geringerem, als dem Journalisten Eddie Brock …
Tom Hardy (Mad Max: Fury Road, The Revenant, Inception) spielt diesen Eddie Brock beeindruckend raubeinig. Ohne die Alien-Kreatur im eigenen Körper noch ein schlicht starrköpfiger Kerl, ringt er später auf unterhaltsame Weise in heftigen inneren und äußeren Kämpfen mit seinen neuen Kräften und Trieben. Sicher besser, als diesen Haudegen Brock/Venom jener Topher Grace verkörpert hätte, der damals in „Spider Man 3“ (2007) den Spider-Man-Antagonisten Eddie Brock aka Venom spielte. Auch charmant, aber eben nicht markant genug für eine spielfilmlange Leinwand-Performance. Die Besetzung der Hauptrolle ist in „Venom“ also gelungen – die der Nebenrollen hingegen kaum der Rede wert. Denn bei so mager geschriebenen Figuren können selbst großartige Schauspielerinnen, wie sie Michelle Williams (Manchester by the Sea, Blue Valentine) und Riz Ahmed (The Reluctant Fundamentalist) durchaus sind, nicht viel rausholen. Das ist auch nicht nötig, da die Szenen, die den Film dramaturgisch voranbringen sollen, ganz pflichtbewusst nur genau diesen Zweck erfüllen: sie sind nichts als Versatzstücke aus dem Genre-Baukasten „Superheldenfilm“, die dazu dienen, auf die nächste große Actionszene hinzusteuern. Die Action hat's dann auch in sich, wobei die Ansprüche in Zeiten der „Avengers“ enorm sind. Da könnte den eingefleischten Comic-Fans das, was „Venom“ an Verfolgungsjagden und Symbionten-Schlachten auffährt (zumal in schwachem 3D) nicht genug sein. Dass das Spektakel zu guter Letzt immerhin kurzweilig ist, liegt daran, dass es einfach kurz ist – weit kürzer, als der Film laut etwaigen Interviews zu der problembelasteten Produktionsgeschichte ursprünglich werden sollte. Welches Potential dabei im Schnittraum geblieben ist, werden wir nicht erfahren. Stattdessen darf man hoffen, dass in einem weiterem „Venom“-Teil (natürlich endet der Film mit einer inzwischen genre-typischen Cliffhanger-Szene nach dem Abspann) den großen Luftraum nach oben nutzt, um nachzulegen. Da geht noch was!
Weitere Angaben
Filmtyp: Farbe
Sprachen: Deutsch, Englisch, Französisch, Türkisch
Untertitel: Deutsch, Englisch, Französisch, Türkisch, Arabisch, Niederländisch