Teheran Tabu

Film: Teheran Tabu
Länge:
93 Minuten
Altersempfehlung:
Ab 16 Jahren
FSK-Freigabe:
Ab 16 Jahren
Regie:
Ali Soozandeh
Darsteller:
Elmira Rafizadeh (Pari), Zahra Amir Ebrahimi (Sara), Negar Mona Alizadeh (Donya), Arash Marandi (Babak), Bilal Yasar (Elias), Alireza Bayram (Mohsen), Hasan Ali Mete (Richter)
Genre:
Animation , Drama
Land:
Deutschland, Österreich, 2017

Pari muss den fünfjährigen Sohn Elias alleine durchbringen, seit ihr Mann im Gefängnis sitzt und sich weigert, sie zu unterstützen. Damit der Richter endlich die Scheidungspapiere unterschreibt – Pari benötigt die Unterschrift des Ehemannes – lässt sie sich auf eine Affäre mit dem viel älteren Mann ein. Die brave und schüchterne Ehefrau Sara soll endlich schwanger werden, wenn es nach ihrem Mann und ihrer Schwiegermutter geht, viel lieber aber würde Sara wieder arbeiten. Donya hat bei einer wilden Nacht im Klub einen One-Night-Stand mit dem mittellosen Musiker Babak. Sie fordert von ihm die Kosten für einen illegalen Eingriff, um ihr Jungfernhäutchen wieder herzustellen, denn sie soll verheiratet werden. Das Treiben der Erwachsenen, ihre kleinen und großen Lügen, Doppelmoral, Korruption und Repression, beobachtet der stumme kleine Sohn Elias. Er ist dabei, wenn seine Mutter als Prostituierte arbeitet und im Taxi dem Fahrer einen Blow-Job gibt, scheinbar teilnahmslos sitzt er auf der Rückbank und beobachtet das Straßenleben. Seit der lukrativen Liason mit dem Richter wohnen Pari und ihr Sohn in einem modernen Apartment, ihre Nachbarin ist Sara, mit der sich Pari anfreundet. Geheime Treffen der beiden Frauen auf dem Dach sind Fluchtpunkte im fordernden Alltag. Denn Sara wird permanent überwacht und Pari hat immer noch keine Scheidungspapiere. Sie arbeite als Krankenschwester in Nachtschicht, so die offizielle Version, wenn sie nachts anschaffen geht. Sara passt dann auf Elias auf. Da deren Ehemann Mohsen kaum sexuelle Erfahrung hat, geht er zu einer Prostituierten. Als er plötzlich vor der neuen Nachbarin steht, sind beide überaus peinlich berührt. Jetzt aber hat Pari ein Druckmittel gegen ihn in der Hand. Gleichzeitig kümmert sich Pari als patente große Freundin um Donya und ihr Problem. Pari ist das Herz der Geschichte, mit Verstand und Gerechtigkeitssinn versucht sie die Geschicke der Frauen in die Hand zu nehmen, scheitert aber immer wieder an den absurden Regeln und Tabus.

Der iranisch stämmige Regisseur Ali Soozandehkam kam mit 25 Jahren nach Deutschland. Sein Debüt als Regisseur zeigt den erschütternd paradoxen Alltag in Teheran in einer tief zerrissenen Gesellschaft. Einerseits die Unterdrückung der Moralwächter, der Sittenpolizei, der Denunzianten. Die Doppelmoral der Honoratioren, wie hier der Richter des Islamischen Revolutionsgerichts, der über Frauengeschicke entscheidet, aber kein Problem damit hat, eine Prostituierte für seine Bondage-Spiele zu bezahlen. Das alles wirkt zunächst sehr schematisch angelegt, aber schnell werden die inneren Dramen der handelnden Figuren zur Triebkraft des Films. Für den Zuschauer wird eindringlich nachvollziehbar, was es bedeutet, in einer solch restriktiven Gesellschaft zu leben. Die Entscheidung, die Geschichte als Animationsfilm zu erzählen, ist der Problematik geschuldet, dass der Iran niemals eine Dreherlaubnis erteilt hätte. Aber Soozandeh wollte reale Stadtansichten von Teheran zeigen, die Schönheit ebenso wie Schmutz und Armut. Tatsächlich spielt die Stadt eine tragende Rolle. Der Regisseur entschied sich für das Rotoskopie-Verfahren. Er castete iranische Darsteller, die aus politischer Überzeugung zusagten. Gedreht wurde vor einem Greenscreen, später wurden die Hintergründe hinzugefügt und der Realfilm im Motion-Capture Verfahren animiert. Mit derselben Technik konnten schon der israelische, oscarnominierte Film Waltz with Bashir und der tschechische Film Alois Nebel einen beeindruckenden Blick auf die Realität werfen. Denn das Ergebnis ist gleichermaßen künstlerisch überhöht und poetisch wie sezierend gesellschaftskritisch. Die Entscheidung Frauen ins Zentrum der Geschichte zu stellen, fußt auf der Überzeugung, dass diese im besonderen Maß von der Doppelmoral betroffen sind. Noch dazu müssen sie die gesellschaftlichen Tabus an ihre Kinder weitergeben, obwohl sie am meisten unter ihnen zu leiden haben. Dabei ist der Tabubruch letztendlich die einzige Möglichkeit von persönlicher Freiheit und Selbstverwirklichung, diese Kernaussage zeigt das Animations-Drama auf beeindruckende Weise in jeder Filmminute.

Christiane Radeke

Weitere Angaben

Filmtyp: Farbe

Sprachen: Deutsch DD 5.1, Farsi DD 5.1

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Angaben beruhen auf Informationen zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (20. Woche 2018).