Star Trek: Lower Decks (Staffel 4)
Viele unterschiedliche Sets, Zeitsprünge und dann auch noch Cameo-Auftritte. Jede Realserie würde diesen Aufwand wohl aus Kostengründen scheuen oder den Zuschauenden nicht zumuten. Anders bei „Lower Decks“! Die können's nicht nur, sie machen's auch! In Staffel 4 zeigt sich wieder, wie viele Gedanken sich die Macher*innen der Serie zur Kontinuität, zum „Star Trek“-Kosmos machen und wie sehr sie bereit sind, dieses Fanwissen auch beim Publikum als gegeben anzusehen. Bis zum Finale müssen wir uns dieses Mal jedoch durch verhältnismäßig viele Folgen „kämpfen“.
Worum es in der vierten Staffel „Lower Decks“ geht:
Es ist Zeit, weiterzukommen: die Föderations-Fähnriche von den unteren Decks, Mariner, Tendi, Boimler und Rutherford werden befördert – etwas. Das gefällt nicht jedem aus der Gruppe gleich gut, aber zwischen der Rückkehr des mordgierigen Holodeck-Programms Badgey, den Föderations-Eintrittsverhandlungen mit Ferenginar, telepathisch übermittelten Krankheiten und Wiedersehen mit der U.S.S. Voyager und altbekannten „Star Trek“-Höhlen bleibt kaum Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Oder doch? Und wer kommandiert das mysteriöse Schiff, das überall im Alpha-Quadrant Raumschiffe von Nicht-Föderationsmitgliedern angreift?
Genial ist in jedem Falle der Aufbau dieses mysteriösen Raumschiffs, das unter anderem Schiffe der Ferengi, Cardassianer oder Klingonen angreift. Diese Szenen sind ungewohnt schonungslos inszeniert und sorgen für einen konstanten Spannungsaufbau, der in einem zweiteiligen Staffelfinale kulminiert, dass in dieser Form nur in dieser Serie stattfinden kann.
[Achtung: Spoiler!] All diejenigen unter euch, die (so wie ich) eindeutig zu viel „Star Trek“ in ihrem Leben konsumiert haben (Sagt dir der Name „Nick Locarno“ etwas?), können sich auf eine Fortsetzung einer gewissen Folge aus „Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert“ freuen, die mit einem Cameo des jungen Wesley Crusher aufwartet. Für einen kurzen Moment glaubt man sogar, die Serie würde sich dem „Mysterium“ annehmen, warum Nick Locarno und der später auf der Voyager dienende Tom Paris (beide in den Serien vom gleichen Schauspieler, Robert Duncan McNeil, verkörpert) sich so ähneln … zuzutrauen wäre es „Lower Decks“. Und für diejenigen, die bis hierhin gelesen, sich aber nur am Kopf gekratzt haben, heißt die Lösung wie immer Memory Alpha.
Lohnt sich das Weiterschauen der Serie für dich?
Auch dann, wenn du mit Sternzeiten und dergleichen ohne im Star-Trek-Wiki nachzusehen nichts anfangen kannst, gelingt „Lower Decks 4“ mit dem Finale die zeitliche Einordnung in das Universum. Dazu bedienen sich die Macher*innen einer vielleicht nicht über alle Maßen bekannten, aber dennoch wichtigen Figur, deren Erwähnung meist reicht, um einen Punkt zu transportieren. Auf dem Weg dahin erreichen viele Folgen allerdings nicht die Qualität, die man inzwischen von den Abenteuern der U.S.S.Cerritos gewohnt ist: Die Rückkehr von Badgey ist eher unterwältigend, weil leicht anstrengend. Der Staffelauftakt wirkt wie eine Reminiszenz an die erste Folge, in der „Star Trek“ auf die Zombiefilme eines George A. Romero traf – nur diesmal trifft die berühmt-berüchtigte „Voyager“-Folge „Tuvix“ auf John Carpenters Version von „Das Ding aus einer anderen Welt“. Auch die Idee eines Telepathie-Virus hat eine „Star Trek'sche“ Patina, ohne sonderlich originell daherzukommen. Und sogar die Folge auf Tendis Heimatplanet hat, obwohl sie ebenfalls wichtig für das Finale ist, zu wenig Unterhaltungswert. Hinzukommt, dass die Figurenentwicklung nicht so große Schritte voran wie noch zuvor geht, auch wenn Mariners Motivation, warum sie die Beförderung eigentlich ablehnt, herzerweichend ist. Einzig an der Tendi/Rutherford-Front tut sich etwas, als sie für eine Mission ein Ehepaar spielen müssen. Die Spekulation darf erlaubt sein, ob „Lower Decks“ hier nicht auf etwas hinarbeitet, dass eher ungewöhnlich in der Medienlandschaft ist: eine gemischtgeschlechtliche Beziehung, die wirklich nur auf reiner Freundschaft aufbaut und nicht auf irgendeiner auch sexuellen Anziehung. Die Shipper wird es womöglich enttäuschen, aber „Wir sind nur Freunde“ scheint auf Rutherford und Tendi wirklich zuzutreffen.
Tendi ist es dann auch, die mit einem einzigen Satz und einem Blick am Ende der Staffel das Interesse am weiteren Verlauf der Serie wieder so erstarken lässt, als hätte es die schwächeren Episoden der vierten Season nie gegeben. Definitiv eine Stärke dieser Serie: Selbst wenn sie mal hinter den Erwartungen zurückbleibt, ist immer noch so viel Liebe und Hingabe an das Franchise vorhanden, dass wir uns jetzt schon wieder auf die nächsten Abenteuer der Sternenflotten-Angehörigen aus der zweiten Reihe freuen.
Unser Fazit zu „Star Trek: Lower Decks 4“:
Ja, das aus Staffel 3 bekannte Gefühl einer warmen Decke, die sich um das Publikum legt, weil sie weiß, was es will, ist auch hier mit von der Partie. In der vierten Season gelingt es der animierten Science-fiction-Comedy allerdings nicht mehr durchgängig zu überzeugen. Es gibt zwar sehr viel Schönes zu entdecken und die Liebe zum Franchise ist nach wie vor ungebrochen, aber nicht jede Folge liefert so ab, wie man es aus den vorherigen Jahren gewöhnt war. Dafür ist der Schlussgag mit Schwarzmarkt-Device wirklich goldwert!
Jan Noyer
Weitere Angaben
Filmtyp: Farbe