Star Trek: Lower Decks
Die als „New Trek“ bekannten Auswüchse des „Star Trek“-Universums haben es schwer. Seit dem Ende der letzten „klassischen“ TV-Serie „Star Trek: Enterprise“ 2005 rund um Captain Archer und seine Crew versuchte man sich an diversen Neuauflagen und Neuerfindungen des langlebigen Franchise. Dies führte zu neuen Abspaltungen innerhalb des Universums (und dem filmgewordenen Mittelfinger in Richtung aller Fans in Form von „Star Trek: Into Darkness“) als auch mühselig in die Chronologie gepressten neuen Serien wie „Star Trek: Discovery“. Von diesen gibt es inzwischen mit „Star Trek: Picard“ zwei an der Zahl, die teils herbe Kritik einstecken mussten und müssen. Ob das im Detail in der oft vorgebrachten Härte immer gerechtfertigt ist, sei mal dahingestellt („Discovery“ entwickelte sich ja zumindest innerhalb von drei Staffeln von einer ziemlichen Vollkastastrophe zu einer immerhin passablen Seltsamkeit), fest steht jedoch: „New Trek“ ist da, wirklich glücklich darüber scheint aber niemand zu sein. Mit „Star Trek: Lower Decks“ (die erste Zeichentrickserie aus dem Universum seit „The Animated Series“ aus den 1970er Jahren), die nun eine Heimat bei Amazon Prime Video gefunden hat, ändert sich dies zumindest ein Stück weit. Denn die erste Staffel der animierten Comedy dürfte man getrost als den bisher gelungensten Einstieg einer „New Trek“-Serie verbuchen.
Was dich in der ersten Staffel von „Star Trek: Lower Decks“ erwartet...
Die U.S.S. Cerritos ist ein Föderationsraumschiff, dass für den Zweiten Kontakt zuständig ist – jene Missionen, die stattfinden, wenn die Flaggschiffe mit ihren Kirks & Picards nach dem Erstkontakt mit einer außerirdischen Zivilisation schon längst wieder auf der nächsten aufregenden Mission in den Tiefen des Alls unterwegs sind, der Papierkram aber noch erledigt werden muss. An Bord unter der resoluten Captain Freeman dienen aber nicht nur mehr oder minder fähige Führungsoffiziere, sondern auch Personen auf den unteren Decks, Fähnriche, die sich ihre Sporen erst noch verdienen müssen. Auf der Cerritos sind es die impulsive Mariner, der überkorrekte Boimler, die enthusiastische Tendi und der gutmütige Rutherford, die immer wieder in haarsträubende Situationen geraten – zum Beispiel mit Riesenspinnen, trinkfesten Klingoninnen und mordgierigen Computerprogrammen.
Warum „Star Trek: Lower Decks“ richtig gut ist…
Es hätte so leicht schief gehen können. Eine Comedyserie, die in einem doch eigentlich recht ernsten (zumindest ernst gemeinten) Universum spielt. Entwickelt von Mike McMahan, der sich für die von der Haltung her kaum mit "Star Trek" zu vereinbarende Serie "Rick & Morty" verantwortlich zeigte. Die Vorzeichen standen also darauf, dass „Lower Decks“ schnell zu einer forcierten Parodie auf „Star Trek“ werden würde, potenziell genauso ärgerlich wie die Überfrachtung „Discoverys“ und die Charakter-Metzelei in „Picard“. Doch nein, die Zeichentrickserie wurde augenscheinlich von Menschen gemacht, die „Star Trek“ im Herzen und vor allem in den übervollen Fan-Hirnen tragen. Dies äußert sich gar nicht mal so sehr in dem mitunter unnötigen „Namedropping“, also dem Erwähnen von populären Figuren und Ereignissen aus der Franchise-Geschichte nur um ihrer selbst willen, sondern in den unaufgeregten „Easter Eggs“, versteckten Anspielungen, die von einer Detailkenntnis des „Star Trek“-Kosmos zeugen, wie sie nur von eingefleischten Aficionados eingebracht werden kann.
Die Geschichten sprechen eine ähnliche Sprache, hangeln sie sich zwar an den bekannten Versatzstücken von „Star Trek“-Stories entlang (Botschafter, alte Bekannte, die aufs Schiff kommen, Computerfehler, die aus dem Ruder laufen), schaffen es aber, auch und gerade durch die cartoonesken Übertreibungen, dem humanistischen Kern von „Star Trek“ immer wieder gerecht zu werden. „Lower Decks“ liebt sein Ausgangsmaterial auf jene gesunde Art und Weise, die sich den Albernheiten des Ganzen durchaus bewusst ist und sie zu ihren Gunsten zu nutzen weiß, aber sich nie in Respektlosigkeiten ergeht. Sicher, manches ist erstmal irritierend, wie die Zombies in der ersten Folge, aber spätestens im Staffelfinale wartet die Serie mit Sequenzen von solcher Intensität auf, die man ihr anfangs nicht zugetraut hätte. Zwischendurch gibt es herrlichen Quatsch wie die blutrünstige Variante der guten alten Word-Büroklammer oder die Neuauflage des sonst so bierernst behandelten Science-fiction-Story-Elements „Phasenverschiebung“.
„Lower Decks“ ist temporeich, kurzweilig, unterhaltsam und ja, auch gewöhnungsbedürftig. Aber wer über die Schatten (die keine sein sollten) „Animation“ und „Comedy“ springen kann, den erwartet die Erkenntnis, dass „New Trek“ nicht zwangsläufig in gepflegte Zeitverschwendung münden muss. Nur: will uns der Satz „Wolf 359 war ein Insidejob!“ suggerieren, dass es selbst in der „Star Trek“-Zukunft noch Verschwörungsgläubige gibt? Bitte nicht!
Jan Noyer
Weitere Angaben
Filmtyp: Farbe