Star Trek: Discovery
„Discovery“ spielt zehn Jahre vor den Abenteuern von Captain Kirk und den Seinen an Bord des Raumschiffs Enterprise. Leider fehlt der Mut, das „Star Trek“-Universum nach den Enden der Serien „Deep Space Nine“ und „Voyager“ weiterzudenken. Man wagt nichts Neues, sondern greift auf Material zurück, das dem geneigten Zuschauer bekannt ist. Anders als aber die Serie „Enterprise“, die satte 100 Jahre vor Kirk spielte und die sich sowohl stilistisch als auch inhaltlich redlich bemühte, das „Star Trek“-Universum „wie aus einem Guss“ zu halten, versucht man es hier nicht einmal. Weder Schiffe noch Uniformen noch bereits bekannte Alien-Spezies noch Technik passen zu dem, was bereits bekannt ist. Haptische Elemente fehlen (die Helme der Raumanzüge wirken komplett wie aus einem anderen Universum), um Kontinuitäten wird sich gar nicht geschert (was zu amüsanten Beobachtungen führt wie jene Überlegungen, wann die Föderation beschließt, das klinische Innere der Schiffe aufzugeben und stattdessen alles mit Teppich auszulegen und eine fürs Auge angenehme Studiobeleuchtung zu etablieren, anstatt alles stets in einem monochromen Halbdunkel zu belassen). Schon seit der ersten Folge wäre es einfacher gewesen, einfach eine neue „Star Trek“-Galaxis zu eröffnen (wie sie mit den Kinofilmen mit Chris Pine und Zachary Quinto ja bereits an anderer Stelle existiert), anstatt alles, was die bisherige Timeline ausmacht, zu ignorieren und weiterhin zu behaupten, dies wäre das Universum, das man bereits seit 1966 kennen würde.
Noch schwerwiegender ist allerdings das, was „Discovery“ erzählt. Denn entgegen des Titels wird hier kaum etwas entdeckt, sondern hauptsächlich bekannte Dinge aus „Star Trek“ düster und grausam neu „interpretiert“. Es gibt Vergewaltigungen und Alptraumsequenzen, die direkt aus dem 1995iger Horrorfilm „Species“ entstammen könnten, grausamste Konzepte und politische Lösungen, die vor allem auf Angst und Terror basieren. Nach der Hälfte der ersten Staffel wird dann das leidliche Spiegeluniversum heraufbeschworen, das in der Vergangenheit immer dann bemüht wurde, wenn „Star Trek“ versuchte, unnötig düster zu sein. Wow, voll edgy und so. Es muss gesagt werden: die erste Staffel ist eine solche furchtbare Katastrophe, dass man über jede Teppichfliese in irgendeinem Quartier an Bord des Schiffes froh wäre.
„Discovery“ ist ein überfrachtetes, überproduziertes Ungetüm mit relativ wenig von dem, was eine der eigentlich erbaulichsten Utopien der Science-fiction-Geschichte auszeichnet. Gerade in Zeiten, in denen Länder die EU verlassen oder nicht nach den Regeln des gemeinsamen Zusammenlebens spielen wollen, Großstaaten wie die USA oder Brasilien von erzkonservativen Reaktionären regiert werden oder Länder wie Brunei die Todesstrafe für Homosexuelle wieder einführen, hätte die (Medien-)Welt eine hoffnungsvolle Utopie gebrauchen können. Doch an das oftmals deprimierend-leere „Star Trek – Discovery“ muss man sich dafür nicht wenden.
Jan Noyer