Searching
Seit dem Krebstod seiner Ehefrau fühlt sich der Witwer David Kim noch mehr für seine Tochter Margot verantwortlich und bemüht sich redlich um ein gutes Verhältnis zu der Jugendlichen. Als die 16-Jährige eines Tages spurlos verschwindet, bricht für den verzweifelten Vater eine Welt zusammen. Da er nicht tatenlos herumsitzen will, beschließt er, die eingeschaltete Polizei zu unterstützen, indem er nach Hinweisen auf Margots Laptop und in ihren Social-Media-Profilen sucht. Zu seinem Entsetzen treten dabei immer größere Ungereimtheiten zu Tage, die eine schmerzvolle Erkenntnis nach sich ziehen: Offenbar kannte David seine eigene Tochter viel weniger, als er dachte. Während Detective Vick, die ermittelnde Beamtin, versucht, beruhigend auf ihn einzuwirken, verstärken sich seine Befürchtungen.
In seinem Spielfilmdebüt, das er gemeinsam mit Sev Ohanian verfasste, erzählt Aneesh Chaganty bei Licht betrachtet eine recht konventionelle Thriller-Geschichte, die mit Krimielementen angereichert ist. Zu etwas Besonderem wird „Searching“ erst durch die Art und Weise, wie der Regisseur seine Handlung präsentiert. Analog zum Desktop-Horror Unknown User, bei dem ebenfalls Timur Bekmambetov als Produzent fungierte, spielt sich das Geschehen ausschließlich auf Computer- und Handy-Bildschirmen ab, wobei die Desktop-Optik mit Fortschreiten der Handlung durch Nachrichten-Streams und Überwachsungsaufnahmen ergänzt wird. Was visuell nicht besonders reizvoll klingen mag, erweist sich als spannender Kniff, der tiefe Einblicke in das Fühlen und Denken der Figuren gewährt. Prägnant und ohne große Gesten wird etwa die Trauer über den Tod der Ehefrau und Mutter deutlich, wenn David in einem Chat mit seiner Tochter im letzten Moment Teile seiner Nachricht löscht, um sie leicht verändert abzuschicken. Ungemein wirkungsvoll ist auch der Einstieg des Films, der die Backstory der Protagonisten in Form von Fotos, Videos und Kalendereinträgen erzählt und den Betrachter mit einfachen Mitteln emotional berührt. „Searching“ fängt nicht nur treffend ein, wie allgegenwärtig digitale Kommunikation und technische Geräte in unserem Leben sind. In den Blick geraten außerdem diverse Auswüchse des Internetzeitalters, das Selbstinszenierungen und hemmungsloser Hetze Tür und Tor zu öffnen scheint. Auch wenn es die Macher mit falschen Fährten und neuen Wendungen in der zweiten Hälfte etwas übertreiben und die Auflösung ein wenig konstruiert erscheint, hinterlässt Chagantys Debütwerk einen stärkeren Eindruck als der oben erwähnte „Unknown User“ mit seinen doch arg platten Teenager-Abziehbildern. „Searching“ vermittelt dem Zuschauer überzeugend das Gefühl, einem echten Menschen in einer erschreckend realistischen Notlage zuzuschauen.
Christopher Diekhaus
Weitere Angaben
Filmtyp: Farbe
Sprachen: Deutsch, Englisch, Italienisch
Untertitel: Deutsch, Englisch, Italienisch