Para - Wir sind King
„Wir waren immer in der Scheiße. Und hätten wir uns nie was gezockt, dann wäre es noch beschissener gewesen. […] Wollt ihr nicht mal was anderes? Habt ihr nicht mal Bock auf nen bisschen Gönnung? […] Einmal im Leben Para machen …“ – Mit diesen Worten fordert Hajra für sich und ihre drei besten Freundinnen Fanta, Jazz und Rasaq das ein, was ihnen in ihrem bisherigen Leben verwehrt geblieben ist. Und so ergreifen sie in der Serie „Para – Wir sind King“ schließlich die Gelegenheit und beginnen damit, ihren unverhofften Drogenfund in Berliner Clubs zu verticken. Dass dabei letztendlich doch nicht alles so einfach und ungefährlich verläuft, erzählt die von Hanno Hackfort („4 Blocks“, „You Are Wanted“) erdachte Serie auf provokante und zugleich sehr alltagsnahe Weise. Mit einem schrillen Drive, der anfangs gewöhnungsbedürftig ist und dann richtig gut mitzieht. Also viel Spaß bei einem kleinen Insider-Tripp nach Berlin-Wedding…
Was dich in der ersten Staffel von „Para – Wir sind King“ erwartet:
Eigentlich sollte Hajra lieber erstmal den Ball flach halten – immerhin kommt sie gerade aus einer sechsmonatigen Erziehungsmaßnahme, weil sie im Gerangel einer chaotischen Partynacht einen Kiosk-Besitzer verletzt hat. Doch als die Mädels-Clique im Taumel der Wiedersehensfreude einen Spontanbesuch bei Dealer Kalle unternimmt und die Wohnung verlassen und frisch ausgeraubt vorfindet, kann Hajra einfach nicht wiederstehen: Denn die Diebe haben einen Beutel mit Kokain übersehen – und das Zeug ist locker zehn Tauis wert. Soll sie so eine Chance etwa einfach so an sich vorbeiziehen lassen?
Als ihre Freundinnen das mitbekommen, sind sie außer sich. Besonders Rasaq, die gerade erst einen seriösen Berufsweg als Zahnarzthelferin eingeschlagen hat und wahrscheinlich sogar bald heiraten wird. Sie will mit der Sache bloß nichts zu tun haben und hat Angst, dass die Clique daran zerbrechen könnte. Auf der anderen Seite können die Mädels das Geld aber auch ziemlich gut gebrauchen – vor allem Fanta, bei deren Mutter sich die unbezahlten Rechnungen unablässig stapeln, obwohl sie schon so hart arbeitet, um die Familie über Wasser zu halten. Und ein bisschen Luxus wäre mal ganz nice – wenigstens vorübergehend, um nicht immer nur träumen zu müssen, sondern auch mal ein bisschen was vom Leben zu haben. Außerdem weiß Kalle ja nicht, dass sie die Drogen haben. Also beschließen sie doch, die Drogen auf eigene Faust zu verkaufen. Nur dass die ganze Sache dann natürlich ein bisschen schief läuft und die Freundinnen plötzlich nicht nur Kalle, sondern dazu noch die russische Mafia am Hals haben.
Lohnt sich die Serie „Para – wir sind King“ für mich?
Am Anfang ist „Para – Wir sind King“ fast schon ein bisschen nervig. Denn die vier Mädels sind laut und schrill und quatschen ständig durcheinander, während sie durchs Berliner Nachtleben ziehen und schließlich sogar auf einer etwas anderen Trauerfeier landen. Hier gibt es keine lässige Erzähler:innen-Stimme, keine geschliffene Coolness, wie man sie aus Serien wie „How to Sell Drugs“ kennt. Aber irgendwie wirkt es dadurch auch einfach normal. So, wie sich der Alltag in einem multikulturellen Viertel von Berlin eben anfühlt.
„Para“ lebt davon, dass wir das ganz normale Leben der Mädels begleiten: vom Stress mit dem Ex über Job-Querelen und das ständige Ertragen-Müssen von alltagsrassistisch geprägten Begegnungen bis hin zu den vielen kleinen Überlebenstricks, um ein bisschen was Positives aus alldem herauszukitzeln. Und tatsächlich wirken die schönen Momente dadurch umso stärker – selbst wenn es sich dabei nur um eine Mädels-Nacht im etwas luxuriöseren Hotelzimmer, das gemeinsame Singen und Rappen im Auto oder einen spontanen Abstecher an den See handelt. Denn wenn du nur das Minimum gewohnt bist, wirkt das Wochenende in Paris, das ihr neuer Freund zwischenzeitlich mit Jazz plant, geradezu wie ein verdammtes Märchen. Was die vier den meisten anderen Menschen dafür voraushaben: Ihre unglaublich starke Verbundenheit und wie sie sich gegenseitig in jeder Situation unterstützen. Während den „Erfolgreicheren“ um sie herum dieser Halt fehlt.
Ein bisschen klischeehaft aufgezogen ist die Serie allerdings schon. Nicht nur, weil die Mädels in gefühlt jedem zweiten Satz „verfickt“ sagen, sondern auch, weil die ganzen typischen Probleme und schrägen Charaktere ein bisschen zu geballt präsentiert werden. Wobei Kalles unablässige, leicht verwirrte Beiträge ohne Punkt und Komma zwar überzogen und doch wie aus dem Leben gegriffen wirken. Krude Typen gibt es da schließlich auch mehr als genug. Letztlich ist „Para – Wir sind Kings“ das Serien-Pendant zum Großstadt-Straßenrap von Künstler:innen wie Samra, Juju oder Kool Savas, der sogar einen Song zur Serie beigesteuert hat: womöglich etwas drüber, aber doch mit viel Wahrheit drin und dem nur allzu nachvollziehbaren Wunsch, „verfickt noch mal“ ein bisschen mehr vom Leben zu bekommen. So geht die Serie stellenweise überraschend tief unter die Haut und ist insgesamt sehr viel besser, als der etwas misslungene Trailer erwarten lässt.
Marius Hanke
Weitere Angaben
Filmtyp: Farbe