HOW TO SELL DRUGS ONLINE (FAST) (Staffel 1)
Mit minimalem Aufwand innerhalb kürzester Zeit richtig Kohle machen. Dabei? Selbstverständlich gibt es einen Haken an der Sache: Beim Erreichen dieses Ziels werden wohl Menschen zu Schaden kommen. Hinnehmbar, wenn man sie nicht persönlich kennt. Oder nicht? Die Netflix-Coming-of-Age-Dramedy „How to sell drugs online (fast)“ erzählt genau von dieser dem Kapitalismus innewohnenden Gier. Und das aus dem Blickwinkel eines ungelenken Teenagers, der zum internationalen Drogenbaron wird. Klingt schräg? Ist es auch.
Was dich in der ersten Staffel von „How to sell drugs online (fast)“ erwartet:
Moritz ist ein Nerd. Er macht sich zu viele Gedanken um alles, ist ein guter Schüler, ohne sich dafür sonderlich anstrengen zu müssen, und im Umgang mit der modernen Technik versierter als im Umgang mit anderen Menschen. Ausgenommen sind sein bester Freund Lenny, der aufgrund einer unheilbaren Krankheit im Rollstuhl sitzt und von seinen Ärzten immer wieder düstere Prognosen bezüglich seiner Lebenserwartung bekommt, und seine Freundin Lisa, die gerade von einem Aufenthalt in den USA wieder zurück nach Deutschland kommt. Dort hat sie mit Drogen experimentiert und sich so verändert, dass sie die Beziehung mit Moritz beendet und etwas mit dem schulbekannten Klein-Dealer und „Rich Kid“ Dan anfängt, der nicht nur Lisa mit Ecstasy versorgt.
Gekränkt schmiedet Moritz einen Plan, um Lisa zurückzugewinnen: Er möchte ihr ebenso Ecstasy besorgen, um ihr zu zeigen, dass auch er cool, hip und zu einer Veränderung fähig ist. Bei Dans zwielichtigen Drogenversorger Buba läuft dann so einiges schief und Moritz gerät in den Besitz einer ganzen Tüte Ecstasy. Von da aus ist es nur noch ein bemerkenswert kleiner Schritt bis er mit Lenny einen Drogenverkauf im Darknet aufbaut.
Warum „How to sell drugs online (fast)“ richtig gut ist…
Wer bei dem Gedanken an deutsche Serien zu gähnen anfängt, wird überrascht sein. Denn „How to sell drugs online (fast)“ liefert so einiges, was die meisten heimischen TV-Produktionen immer noch vermissen lassen – und das, obwohl wieder mal die deutsche Provinz Schauplatz des Geschehen ist. Gleich zu Beginn macht die Serie durch ihr Setting klar, dass hier nicht alles so ist, wie es scheint. Und das geht auch so weiter. Der Spannungsbogen ist einfach verdammt gut aufgebaut. Immer dann, wenn man denkt, man wisse, wohin die Dinge führen (auch durch den Konsum anderer „Cleverer Drogenbaron“-Medien), schlägt die Serie einen Haken. Dabei gelingt es ihr, sogar Bjarne Mädel als schmierigen Ecstasy-Dealer Buba so etwas wie Bedrohlichkeit abzutrotzen. Das Drehbuch leistet sich hier außerdem, die Protagonisten nicht automatisch in eine bessergestellte Position zu schreiben. Ihr Alter und ihre technische Versiertheit stellen keinen Automatismus dar, der zum Erfolg führt, vor allem nicht, wenn man es mit einem in allen Belangen analogen, sprich handfesten, Gegner zu tun hat. Das Gefühl von „Drogenhandel ist einfach viel zu anstrengend“ durchzieht die ganze Serie und hinterfragt so ganz nebenher auch die eingangs erwähnten Mechanismen des Kapitalismus. Ist es das alles wert? Zweifel sät die Serie beständig, auch weil die Figuren so dreidimensional daherkommen. Dan ist nicht einfach nur eine tumbe Sportskanone, Lisa nicht einfach nur die treulose (Ex-)Freundin und Moritz ist nicht einfach nur der bemitleidenswerte Nerd. Spätestens seit „The Social Network“ wissen wir ja auch alle, dass Tech-Genies nicht zwangsläufig gute Menschen sein müssen. Das Stolpern, die Unsicherheit, das Experimentieren mit Möglichkeiten auf der Charakterebene macht „How to sell drugs online (fast)“ so nahbar und unterhaltsam.
Denn selbst wenn man sich für all die unterschwelligen Dinge, die die Serie anspricht, nicht weiter interessiert ist „How to sell drugs online (fast)“ eben auch eine sehr kurzweilige Angelegenheit, die, im Gegensatz zu vielen anderen Netflix-Eigenproduktionen, ihre Folgenanzahl und damit die Lauflänge nicht über Gebühr streckt. Unnötiges Füllmaterial kennt man hier nicht, auf die Handbremse schielt niemand. Überzeugend gespielt, tempo- und einfallsreich ist die Serie ein echter Glücksgriff im Netflix-Katalog. Einzig der gestalterische Kniff, der die Charaktere immer wieder in einer Interviewsituation zeigt, als würde sie das Geschehen aus der Retrospektive heraus erklären und einordnen, funktioniert nicht. Aber welche Serie macht schon auf Anhieb wirklich alles, in jedem Detail, richtig? Genau. Umso neugieriger sind wir auf die zweite Staffel.
Jan Noyer
Weitere Angaben
Filmtyp: Farbe