Love, Victor (Staffel 2)
Ein neues Schuljahr an der Creekwood High bricht an und die Karten haben sich neu vermischt. Durfte Victor in Staffel 1 des Spin-Offs von Becky Albertallis „Love, Simon“ (2018) noch mit seiner uneindeutigen Identität hadern, darf er sie jetzt behaupten. In Staffel 2 geht es neben der wachsenden Selbstakzeptanz vor allem auch darum, wie man nach einem Outing mit den teilweise recht unterschiedlichen Reaktionen seines sozialen Umfelds klarkommen muss. Doch auch hier bleibt die Serie sich treu und überzieht die sich anbahnenden Konflikte mit Zuckerguss. Ist das Kitsch? Fraglos. Aber von solch konsequenter Warmherzigkeit, dass man davor einfach nur kapitulieren kann!
Was dich in der zweiten Staffel von „Love, Victor“ erwartet:
„Ich bin schwul.“ Mit diesem Geständnis löst Victor den Cliffhanger des letzten Staffelfinales auf. Während ihm seine Schwester in die Arme fällt, schauen ihn Mutter und Vater nur betreten an, sichtlich überfordert mit der Situation. Gerade haben sie den Kindern die Schocknachricht ihrer Scheidung verkündet, und einen Moment später stellt Victor mit seiner nächsten Offenbarung ihre konservativen Wertevorstellungen auf den Kopf.
Herz der Serie ist und bleibt natürlich weiterhin ihr Protagonist, der in Staffel 1 noch reichlich unselbstbewusst daherkam und mit fortschreitender Laufzeit seine turbulenten Gefühle etwas sortieren konnte. Jetzt ist er offiziell mit Benji zusammen und genießt die Wonnen des Frisch-Verliebtseins. Der größte Schatten, der sich auf das Pärchen wirft, ist der Widerwillen von Victors Mutter, die sich sichtlich schwer mit dem Outing des Sohnes tut. Unsubtil versucht sie, das Thema Benji zu vermeiden, boykottiert seine Besuche und geht auch sonst so befangen mit Victor um, dass selbst sein Vater hellhörig wird und Gefahr wittert: „Er ist unser Sohn. Und wenn wir uns jetzt nicht ändern, verlieren wir ihn.“
Nach der Sommerpause geht heiß her in der schulischen Gerüchteküche, deren beliebtestes Thema die (Alibi-)Beziehung von Mia und Victor ist. Dass die beiden nun nicht mehr zusammen sind, ist für die große Allgemeinheit noch ein Geheimnis, genauso wie der eigentliche Grund für die Trennung. Zwischen Mia und Victor herrscht Funkstille, seitdem er ihr sein Geständnis ablegte. Benji pocht unterdessen auf einen offenen Umgang vonseiten Victors. Er will öffentlich Händchenhalten und Küsschen tauschen. Doch kaum aus der sommerlichen Seifenblase zurück in der Schulroutine, kriegt Victor kalte Füße. Und auch um Mia ist es nicht ganz leicht bestellt, denn ihre Sehnsüchte haben sich nach einem heimlichen Flirt vor den Ferien auf den hinreißenden Basketballstar der Schule verlagert. Der wiederum kreuzt am ersten Tag mit seiner neuen Freundin auf. Fettnäpfchen und Komplikationen sind also vorprogrammiert!
Lohnt sich die zweite Staffel „Love, Victor“ für dich?
Dass es nicht ganz so leicht wird wie beim Vorgänger Simon, der von allen Seiten nur so mit Akzeptanz überschüttet wurde, hat die Serie „Love, Victor“ von Beginn an klargemacht. Und auch wenn die Schüler*innen in Creekwood offenbar weiterhin eher für alkohol- und drogenfreie Brettspielabende zusammenkommen als für durchzechte Partys, entfaltet die Serie mit ihrer Artikulierung sozialer Problemfelder durchaus eine Ebene, die „Love, Simon“ nicht besaß: Ob es nun die teils unterschwellige, teils offene Ablehnung von Victors Homosexualität durch die Eltern ist, der Psychoterror von Schul-Gossip oder die Schwierigkeiten von Felix mit seiner manisch-depressiven, alleinerziehenden Mutter… Die Aufregungen des Schulalltags halten sich hier die Waage mit familiären Uneinigkeiten.
Wer Fan des Vorläuferfilms ist und auch schon die erste Staffel „überstanden“ hat, der kommt auch mit der Fortsetzung voll auf seine Kosten. Das utopische Paralleluniversum Creekwood punktet auch weiterhin zuverlässig mit hoffnungslosem Charme: Mobbing gibt es in maximaler Soft-Version, wo im Highschool-Genre üblicherweise belogen und betrogen wird, begegnet man sich hier mit offenherziger Ehrlichkeit und jeder Zwist wird mit weichspülenden Popsongs unterlegt. Die verblümt-progressiven Qualitäten der Disneyserie – nämlich die ganz offene Zurschaustellung sich küssender Jungs im Schulkorridor – kann man nicht hoch genug halten. „Love, Victor“ zieht die Zuschauer*innen offensiv in rosawolkige Sphären hinauf und zeigt in vielerlei Hinsicht, wie es künftig auch in unserer Realität zugehen sollte, ganz gemäß dem Motto: fake it till you make it!
Nathanael Brohammer
Weitere Angaben
Filmtyp: Farbe
Sprachen: Englisch