Lourdes

Gibt es Wunder? Kann der Besuch eines Wallfahrtsortes Kranke heilen, Lahme gehen lassen und Blinden das Augenlicht wiedergeben? Tausendfach werden diese Fragen mit „Ja“ beantwortet, wenn in Lourdes endlose Schlangen vor der Grotte warten, in der im Jahr 1858 der (heute) heiligen Bernadette mehrmals die Gottesmutter Maria erschienen sein soll. Die österreichische Regisseurin und Autorin Jessica Hausner hat sich praktisch mit der Kamera in die Schlange eingereiht. Ihr Spielfilm gibt Einblick in den Alltag dieser Kleinstadt, die geprägt ist vom Geheimnis des Glaubens – und noch mehr von der Tourismusindustrie, die sich unter katholischem Vorzeichen dort entwickelt hat. Der Film erzählt von der jungen, durch Multiple Sklerose gelähmten Christine, die eher skeptisch und aus Neugier an den Ritualen von Lourdes teilnimmt. Sie wird betreut von einer jungen Helferin des Malteserordens, die ein Auge auf einen Kollegen geworfen hat, der wiederum mit Christine flirtet. Die Lourdes-Routine aus Ausflügen, Bädern und Gebeten wird für alle Beteiligten unterbrochen, als Christine eines Nachts aus dem Bett klettert und geheilt ist.

Nichts wäre einfacher, als sich über naiven Volksglauben lustig zu machen oder den Zynismus der Wallfahrtsprofis zu geißeln. Jessica Hausner tut gerade dies nicht. Sie schafft einen visuell und gedanklich vielschichtigen Film, der gerade deshalb oft ironisch, oft komisch und ebenso oft sehr berührend wirkt. Sie lässt dem Ort und den Menschen, die dort hoffen, ihre Geheimnisse und ihre Würde. Sogar für religiöse Mysterien lässt Jessica Hausner Platz in ihrem Film – wer ist zum Beispiel die alte Dame, die sich wie ein Schutzengel um die verunsicherte Christine kümmert? Sylvie Testud („Bonjour Sagan“) spielt die hilflose, staunende, berechnende und vor Lebenswillen strahlende Christine mit bemerkenswerter Intensität, ohne den Rahmen zu sprengen, den der dokumentarische Stil des Films vorgibt. Wer also einen wirklich anregenden und außergewöhnlichen Film sehen möchte, der ist bei „Lourdes“ genau richtig. Unter anderem beim Filmfest in Venedig wurde der Film mehrfach ausgezeichnet, etwa durch eine Nominierung für den Goldenen Löwen und den Preis der internationalen Filmkritik (FIPRESCI).

DVD-Bildformat: 1:1,85; 16:9
Ton: Dolby Digital 5.1
Sprachen: Deutsch, Französisch
Untertitel: Deutsch

Albert Schwarzer