Live by Night

Seit seiner Rückkehr aus dem Ersten Weltkrieg, der mit schmerzlichen Erfahrungen verbunden ist, will sich Joe Coughlin nie wieder von Autoritäten vereinnahmen lassen. Gemeinsam mit zwei Freunden macht er fortan als Outlaw die Banken und Spielhallen Bostons unsicher, legt dabei aber großen Wert darauf, dass er kein echter Gangster sei. Seine Affäre mit der verführerischen Emma Gould birgt ein großes Risiko, da sie gleichzeitig die Gespielin des irischen Verbrecherkönigs Albert White ist. Als dieser von der Beziehung erfährt und Joe zu allem Überfluss einen neuen Raubzug verpatzt, scheint der auf eigene Rechnung arbeitende Kriminelle fällig zu sein. Nur durch das Einschreiten seines Vaters, eines angesehenen Polizisten, kann Joe seinen Kopf halbwegs aus der Schlinge ziehen, indem er eine geringe Haftstrafe antritt. Wieder in Freiheit ist er fest entschlossen, White zu Fall zu bringen, und geht daher auf den Mafiapaten Maso Pescatore zu, der mit dem irischen Gangster um die Vorherrschaft kämpft. Für den Italiener soll Joe in Florida den illegalen Rum-Handel überwachen und steigt in Tampa schnell zu einem mächtigen Strategen auf. Auch privat kann sich der einstige Kleinganove nicht beklagen, findet er in der Kubanerin Graciela doch eine neue Liebe.

Nach seinem Regiedebüt Gone Baby Gone – Kein Kinderspiel, auf das die Thriller-Arbeiten „The Town – Stadt ohne Gnade“ und „Argo“ folgten, widmet sich Hollywood-Star Ben Affleck zum zweiten Mal einer Buchvorlage von Dennis Lehane. Angesiedelt ist der klassische Gangsterstoff, der während der Prohibitionszeit spielt, passenderweise in Boston, wo Affleck einen Großteil seiner Kindheit und Jugend verbrachte. Überzeugen kann „Live by Night“ besonders in puncto Optik und Ausstattung. Vor dem Auge des Betrachters entfaltet sich eine akribisch gestaltete, oftmals betörend fotografierte Ära, in der ausgefallene Hüte und feine Anzüge zum guten Ton gehören. Kameramann Robert Richardson (Django Unchained) fängt verwinkelte Gassen ein, schwelgt in üppigen Ballszenen und gleitet über die sonnendurchfluteten Südstaaten-Schauplätze, die mit Joes Umzug in den Fokus rücken. Regisseur und Hauptdarsteller Affleck setzt gekonnt atmosphärische Akzente, kriegt seine mehrere Jahre umspannende Geschichte erzählerisch aber nie richtig in den Griff. Der Versuch, ein episches Gangsterdrama im Stil von Francis Ford Coppolas Überklassiker „Der Pate“ zu entwerfen, läuft weitestgehend ins Leere, da die Handlung arg episodisch erscheint und manche Entwicklungen eher unbeholfen über Off-Kommentare zusammengefasst werden. Wenig Entfaltungsraum bekommen nicht nur spannende Nebenfiguren wie Graciela. Auch der im Zentrum stehende Outlaw erscheint unter dem Strich zu skizzenhaft, obwohl ein vielschichtiges Charakterbild möglich gewesen wäre. Immerhin kollidiert Joes Weigerung, sich als Gangster zu betrachten, mit seinem kometenhaften Aufstieg in Florida, der ihn zu einem angesehenen Mafioso macht. Die innere Zerrissenheit des Protagonisten wird angedeutet, bleibt letztlich aber eher eine Behauptung des Drehbuchs. Verglichen mit Afflecks vorangegangenen Regiearbeiten, ist „Live by Night“ trotz schöner Bilder, dynamischer Actionszenen und einiger schauspielerischer Höhepunkte (charismatisch: Remo Girone als italienischer Pate) sein bislang schwächster Film.

Blu-ray-Bildformat:1:2,40/1080p
Ton:Dolby Atmos
Sprachen: Deutsch dts HD 5.1 MA/Deutsch Dolby Atmos/Englisch Dolby Atmos/Englisch DD 5.1
Untertitel: Dt. f. Hörg./Engl. f. Hörg.

Christopher Diekhaus