Kings

Los Angeles 1992. Millie hat nicht nur eigene Kinder, sie sammelt auch gern mal eines auf, das sich auf der Straße herumtreibt. Wenn deren Eltern aus dem Gefängnis freigelassen werden, informiert das Jugendamt sie und das Kind geht zurück zur tatsächlichen Mutter. Millies Ältester, Jesse, hilft ihr, die im Moment etwa achtköpfige Rasselbande zusammenzuhalten. Millies Nachbar Ollie versucht sich als Schriftsteller. Wenn er betrunken ist, ballert er schon mal mit seinem Gewehr gegen den Lärm in dem Viertel an, in dem sie leben. Millie hält sich mit Jobs aller Art über Wasser, ihr ist wichtig, dass die Kids alle zur Schule gehen. Jesse und der gerade neu in der Familie aufgenommene William sind in Nicole verliebt, die auf der Straße lebt. In ihrem Umfeld lernen sie junge Männer kennen, die ihre unterdrückte Wut auf die Ereignisse in ihrem Viertel nur schwer unter Kontrolle halten. Denn vor kurzem wurde eine 15-jährige Schwarze von der asiatischen Kassiererin eines Lebensmittelladens erschossen, die dachte, das Mädchen wolle stehlen. Die Strafe, fünf Jahre auf Bewährung, erscheint vielen Schwarzen zu gering. Und jetzt läuft der Prozess gegen vier Polizisten, die den Afroamerikaner Rodney King krankenhausreif prügelten. Die Tat wurde gefilmt, das Video wird fast täglich auf allen Kanälen wiederholt. Die angespannte Stimmung entlädt sich, als die vier Polizisten freigesprochen werden. Für Millie, Ollie, Jesse, William, Nicole und drei der Jungs wird es eine Nacht, die sie nicht mehr vergessen werden.

Regisseurin Deniz Gamze Ergüven ist ein spannender Film gelungen, der auf authentischen Ereignissen beruht und Teile von Los Angeles kurzzeitig in bürgerkriegsähnliche Zustände versetzte. Sie schafft für die Handlung teils eine semi-dokumentarische Atmosphäre, teils entsteht durch dramatische Schärfe und gezielte Komik eine große Nähe zu den Figuren des Films. Halle Berry und Daniel Craig verleihen dem Film eine enorme Dichte, wobei ihnen eine schauspielerische Zurückhaltung gelingt, die für ihre jungen Kollegen Spielräume schafft. Das gesamte Ensemble ist bis in die Nebenrollen ausgezeichnet besetzt und jede Figur strahlt nachvollziehbare Motive aus. Die authentischen Sequenzen werden zurückhaltend inszeniert und bleiben mit schnellen Schnitten eher angedeutet. Die latente Spannung, die Gefahren hinter jeder Häuserecke ahnen lässt, wird vom Sound zusätzlich verstärkt. Die daraus resultierende Nervosität, die die aufgestaute Wut auf die generelle Lebenssituation nährt, äußert sich in ebenfalls kurz gehaltenen Dialogen.

An den großartigen L.A. Crash, der das Thema Rassismus sehr viel komplexer aufgreift, reicht „Kings“ nicht heran. Und über die in vielen Phasen doch etwas plakative Botschaft des Films lässt sich mit Sicherheit streiten. Angesichts der aggressiven Stimmungen, die auch in unseren Städten immer wieder aufbrechen, kommt dieser Film jedoch zur richtigen Zeit zum richtigen Ort. Selten übrigens gab es in einem Film eine direktere Werbebotschaft, die mit so viel Sinn für Humor dargeboten wurde und hoffentlich einen Großteil der Produktionskosten eingebracht hat.

Rotraut Greune