Renn, wenn du kannst

Ben quält sich mit seiner Magisterarbeit, düst mit seinem umgebauten Oldtimer rum, hockt ansonsten aber meist zu Hause und beobachtet per Fernrohr Leute auf der Straße. Denn Ben ist querschnittsgelähmt und sitzt im Rollstuhl. Nach außen hin cool reißt er einen bissigen Spruch nach dem anderen und macht so gerne seinen Zivis und seiner Mutter das Leben zur Hölle. Auch Christian, sein neuer Zivi, muss erstmal schlucken, bietet Ben aber Paroli, was diesem imponiert. Als Christian in die Musikstudentin Anna rennt, ist er sofort von ihr begeistert. Auch Ben "kennt" Anna, hat er sie doch über Jahre durch sein Fernrohr beobachtet. Zwischen den dreien entsteht eine enge Freundschaft. Jeder von ihnen scheint sein eigenes Paket an Ängsten und Unsicherheiten mit sich rumzutragen: Anna ihr Lampenfieber, Christian seine Planlosigkeit in Sachen Zukunft und Ben die Angst vor dem Verlieben, da er sich als "Krüppel" chancenlos fühlt. Doch natürlich passiert genau das: Er verliebt sich in Anna, ebenso wie Christian - was die Freundschaft auf eine echte Probe stellt.

Zwei Männer lieben die gleiche Frau. Diese Konstellation ist gewissermaßen ein Klassiker unter den im Film bespielten Konflikten. "Renn, wenn du kannst" gelingt es, diesen Klassiker zugleich ernsthaft, aber auch leicht und ungewöhnlich zu erzählen. Ungewöhnlich ist die Wahl des Protagonisten Ben, der im Rollstuhl sitzt, aber alles andere als ein Mitleid erregender Behinderter ist. Stattdessen gibt er mit seiner ziemlich unausstehlichen Art einen rechten Kotzbrocken ab und wird erst nach und nach sympathisch. Besonders ist auch, dass der Film sich ganz auf seine drei Hauptfiguren konzentriert, diese in einfachen, langen Kameraeinstellungen einfängt und (fast) alles Nebensächliche drumrum ausblendet. Man ist ganz bei Ben, Christian und Anna und kommt ihnen über ihre oft langen, mal scheinbare Nichtigkeiten besprechenden, aber stets witzigen und pointierten Dialogen nahe. Besonders ist auch, dass die Story nicht wie so viele junge deutsche Filme im hippen Berlin spielt, sondern Duisburg zur Kulisse macht und dabei weder in Tristesse noch kitschige Ruhrpottromantik kippt. In seinem Erstling "Neun Szenen" hatte Dietrich Brüggemann gemeinsam mit seiner Schwester Anna, die stets nicht nur eine Hauptrolle spielt, sondern auch am Drehbuch mitschreibt, bereits ein ganz einfaches Erzählen geübt. Mit "Renn, wenn du kannst" gelingt ihm auf diese Weise eine charmante, berührende Tragikomödie, deren ängstlich-rotzige Helden sehenswert sind.

DVD-Bildformat: 1:2,35; 16:9
Sprache: Deutsch
Untertitel: Englisch
DVD-Extras: Audiodeskription für Blinde

Kirsten Loose