Youth Topia
Regisseur Dennis Stormer hat das Drehbuch für sein Spielfilmdebüt „Youth Topia“ zusammen mit der Produzentin Marisa Meier geschrieben. Darin haben die beiden eine Fülle von Problemen, Konflikten und Fragen gepackt: Erwachsenwerden und Aussteigen, Einsamkeit und Gemeinschaft, Liebe und Schwangerschaft, Fremdbestimmung und Freiheit, Leistungsdruck und Rebellion. Noch nicht genug? Nein. Dazu gesellen sich noch Big Data, Gentrifizierung und Fallen der Sozialen Medien.
Darum geht es im Film „Youth Topia“:
Wanja, Greta, Sören, Maul und Leona hängen in der nahen Zukunft im fiktiven Ort Valpolva oft in einer alten Scheune ab, wenn sie nicht gerade um die Häuser ziehen, Party machen und Unfug treiben. Die Jugendlichen bespielen ihre Social-Media-Accounts mit albernen Kommentaren oder Filmchen über ihre teils kriminellen Aktivitäten. Damit wollen sie verhindern, dass ein allmächtiger Algorithmus ihnen auf der Grundlage ihrer Daten einen Traumjob zuweist. Denn ein solcher Traumjob würde bedeuten: Erwachsen werden, sich einfügen, Geld verdienen, Familie gründen, brav sein.
Doch dann wird Wanja ausgewählt, in einem Architekturbüro zu arbeiten. Wanja genießt die Vorteile des Jobs wie ein schickes Apartment und ein teures Auto, will aber auch den Kontakt zu ihrer Clique halten. Im Auftrag ihrer Chefin soll sie ein „Haus der ewigen Jugend“ entwerfen. Dumm nur, dass für das ehrgeizige Sozialprojekt der Gemeinde die alte Scheune abgerissen werden soll. Dafür müsste sie ihre Freund*innen überreden, ihren gemeinsamen Rückzugsort zu räumen. Und dann wird Wanja auch noch schwanger und Vormund ihres Vaters, der wegen eines Vergehens in den Status eines Jugendlichen zurückversetzt wird.
Was ist so besonders an dem Near-Future-Drama?
Besonders ist auf jeden Fall der Mut zu einer wilden Gestaltung. Regisseur Stormer wechselt zwischen verschiedenen Bildformaten (Quadrat, Hochkant und Cinemascope), integriert wackelige Handy-Videos, streut Kommentare von Follower*innen in das Bild ein und lässt Emojis umherfliegen. Die Haare und Klamotten der ewigen Teenager*innen sind ebenso bunt wie ihr Lager. Dagegen wirkt die Welt der Erwachsenen, insbesondere der Architekt*innen, nüchtern, steril und kühl. Die Starre der Kamera steht dort für den Zwang zur Anpassung an vorgegebene Normen. Die einfallsreiche Inszenierung beginnt sprunghaft, hektisch und verspielt und wird mit Wanjas Wechsel in die Erwachsenenwelt ruhiger und ernster.
Der formale Wagemut, die Lust zum Experimentieren, die neuartigen Ideen: Sie alle bringen zwar frischen Wind und machen den Film besonders, aber das Gesamtpaket wirkt nicht griffig. Die Story kommt wie eine Versuchungsanordnung mit wenig plausiblen Wendungen daher. Wieso wird gerade die rebellische Wanja für den Superjob auserwählt? Wieso bekommt sie als völlig unerfahrene Berufsanfängerin von ihrer Chefin nur Lob, aber nie Kritik zu hören? Dass Wanja das Sorgerecht für ihren aufsässigen Vater übernehmen muss, ist eine reizvolle Rollentauschidee, die aber weitgehend verschenkt wird. Auch der märchenhaft überhöhte Schluss des Films wirkt zu schön, um wahr zu sein.
Reinhard Kleber
Anbieter
Filmverleih UCM.One