Unorthodox

Film: Unorthodox
Serienstart:
26.03.2020
Staffel:
1
Folgen:
4
Länge der Folgen:
53-55 Minuten
Altersempfehlung:
Ab 14 Jahren
FSK-Freigabe:
keine Angabe
Regie:
Maria Schrader
Darsteller:
Shira Haas (Esty), Amit Rahav (Yanky), Jeff Wilbusch (Moishe), Aaron Altaras (Robert), Delia Mayer (Miriam Shapiro)
Genre:
Drama
Land:
Deutschland, 2020

Mit Perücke, altertümlichen Kleidern und vielen Zwängen im Alltag soll Esty vor allem eins sein: ihrem Ehemann gehorsam. Und natürlich möglichst viele Kinder in die Welt setzen. Aber Esty war schon immer anders. „Anders ist gut“, sagt ausgerechnet ihr Ehemann beim ersten schüchternen Kennenlernen. Die deutsche Regisseurin und Schauspielerin Maria Schrader erzählt in der Netflix-Miniserie eine Ausbruchs- und Emanzipationsgeschichte und bleibt immer ganz nah bei ihrer tollen Hauptdarstellerin. Dabei lässt sie Widersprüchlichkeiten stehen und skizziert Berlin als modernes Utopia-Traumland für Befreiungsgeschichten. Dafür wurde sie gerade mit dem Emmy für die beste Miniserie ausgezeichnet.


Was dich in „Unorthodox?“ erwartet?


Esther, genannt Esty, ist gerade mal 19 Jahre alt, aber trägt schon schwer an den Pflichten des Lebens. Sie ist in einer kleinen jüdischen Gemeinschaft im New Yorker Viertel Williamsburg aufgewachsen. Die Satmarer entstammen ursprünglich aus Ungarn, sprechen Jiddisch und pflegen ultraorthodoxe chassidische Traditionen. Die Männer tragen Stirnlocken, hohe Hüte aus Nerz und lange schwarze Mäntel. Den Frauen werden nach der Heirat die Haare geschoren und durch eine einheitliche Perücke ersetzt. Kinder sind oberste Ehepflicht, nach der Vernichtung der europäischen Juden im Holocaust sind möglichst viele zu zeugen. Esty hat einen zwar recht liebevollen, aber auch naiven, ignoranten und von der Mutter verhätschelten Ehemann durch eine traditionelle Verkupplungsaktion zugeteilt bekommen. Der Sex ist nur schmerzhaft, eine Schwangerschaft stellt sich nicht ein. Der Druck von allen Seiten ist immens auf Esty. Sie entscheidet sich zur Flucht.

Esty schafft es bis nach Berlin, aber vom freien Leben dort hat sie keine Ahnung. Allerdings liebte Esty schon immer die Musik und nahm heimlich Klavierstunden. In einem Konservatorium, das internationalen Musikstudenten aus allen Ländern und Religionen eine Heimat bietet, findet sie Unterschlupf und Anschluss. Und dann ist da Robert, der fasziniert von der kleinen starken Frau mit den raspelkurzen Haaren ist, die so tapfer um einen neuen Lebensentwurf ringt. Roberts Freunde kommen aus allen Teilen der Welt, ein schwules Paar, die toughe Yael aus Israel, die nette Daisa. Sie nehmen Esty in ihrer Mitte auf, feiern den Sommer im Strandbad Wannsee, wo Esty ihrer Perücke im Wasser Lebewohl sagt, und das Leben in einem Techno Klub. Aber Estys Ehemann Yanky und sein finsterer Cousin Moishe sind ihr auf der Spur. Sie haben von der jüdischen Gemeinschaft den Auftrag, Esty um jeden Preis zurückzuholen.


Lohnt sich die Miniserie „Unorthodox“?


Berlin als Sehnsuchtsort für die Befreiung aus Zwängen. Ja, das wird hier einseitig schön und konfliktfrei dargestellt. Aber abgesehen von dieser sicherlich bewussten Hommage an eine Stadt, die für viele Menschen auf der Welt ein Symbol für ein selbstbestimmtes Leben ist, gelingen der Serie jede Menge ausgewogene und feinsinnige Szenen. Widersprüche werden nicht aufgelöst, sie dürfen stehen bleiben. Und ja, die jüdische Gemeinde in Williamsburg ist vor allem ein fieses Korsett für die Frauen, aber sie ist auch Herz, Heimat und Zusammenhalt nach der traumatischen Vernichtung eines ganzen Volkes. Dank auch der vielen sorgfältig besetzten Nebendarsteller rutscht hier keine Figur ins Klischee ab. Yanky wächst den Zuschauer*innen regelrecht ans Herz und ist letztlich ebenso ein Opfer der Konventionen wie Esty. Moishe ist zwar zwielichtig und unangenehm, aber er spricht die Dinge aus, die in der deutsch-jüdischen Geschichte einfach nicht ungesagt bleiben können.

Schrader verwebt die Gegenwart in Berlin mit kunstvoll eingeflochtenen Rückblenden aus Estys Vergangenheit. Ihre Heirat wird als rauschendes Fest voller religiöser Rituale zelebriert. Sorgfältig wurden hier die Traditionen der Satmarer recherchiert. Die Darstellung der sektenhaften jüdischen Gemeinde brachte der Serie auch den Vorwurf ein, antisemitische Klischees zu bedienen. Dafür sind aber viel zu viele interessante Figuren aufgeboten, die Zwischentöne zulassen. Vor allem aber ist es auch der eindrucksvollen Darstellerin der Esty, der Israelin Shira Haas, zu verdanken, das die Serie immer im richtigen Gleichgewicht bleibt. Mit ihr reisen wir in ihre Ängste, Zweifel und Freuden, in die für Außenstehende unbekannte Welt der ultraorthodoxen Satmarer Juden, aber auch in das Esty so fremde Berlin, das ihr wie ein Versprechen vorkommt. Eine Serie auf jiddisch, englisch und deutsch, die solche Einblicke gewährt, ist auf jeden Fall eine spannende und lohnenswerte Reise.

Christiane Radeke

Weitere Angaben

Filmtyp: Farbe

Sprachen: Jiddisch, Englisch, Deutsch

Streaming-Anbieter

Angaben beruhen auf Informationen zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (13. Woche 2020).