This Rain Will Never Stop
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„Was ist los in deinem Land?“, lautet die Frage. Die Antwort kommt prompt: „Das weiß nur Gott“. Der Dokumentarfilm von Alina Gorlova geht in Syrien, der Ukraine und Deutschland dem endlosen Kreislauf von Krieg und Frieden in der Welt nach. Ein bildgewaltiger allegorischer Film im Breitwandformat, ganz in Schwarzweiß gedreht, der bereits 2020 entstand, also lange vor dem Einmarsch der russischen Armee in der Ukraine im Februar 2022. Durch diese dramatischen Ereignisse gewinnt der Film allerdings eine weitergehende Bedeutung und schärft den Fokus auf bestimmte Zusammenhänge.
Darum geht es in „This Rain Will Never Stop“:
Es vergeht eine ganze Weile, bis der oft nur kommentarlos beobachtende und teils auch in der Tonspur verfremdete Film seinen Protagonisten gefunden hat, ihn aber niemals zu sehr in den Vordergrund rückt. Andriy Suleyman ist 20 Jahre alt, Sohn eines kurdischen Vaters und einer ukrainischen Mutter. 2012 floh seine Familie vor dem Bürgerkrieg in Syrien in die Ostukraine, in das Land seiner Mutter – und mitten hinein in eine andere kriegerische Auseinandersetzung im Donbas. Angesichts des großen Leids in der Zivilbevölkerung meldet er sich als Freiwilliger beim Roten Kreuz und bekommt die Schicksale der Geflüchteten und Verletzten in beiden Ländern seiner Eltern unmittelbar mit, beispielsweise in einem Flüchtlingslager in Syrien. Während sein Bruder in Deutschland heiratet und dort eine neue Existenz aufbauen will, entschließt er sich nach einem Kurzbesuch bei ihm, in den Nahen Osten zurückzukehren.
Warum „This Rain Will Never Stop“ so sehenswert ist:
Aufmarschierende ukrainische Soldaten in einer Militärparade, Panzer in einer riesigen Werkshalle. Was vor wenigen Monaten von vielen noch als bloßes Sinnbild von Aufrüstung und Militarisierung interpretiert wurde, wirkt heute als Vorahnung auf einen Krieg, in dem diese martialisch wirkenden Soldaten ihr Land nun mutig verteidigen müssen. Wer konnte, wer wollte damals schon ahnen, wie unmittelbar die Zerstörungen in Aleppo durch die Person von Putin mit den heutigen Konflikten und Bildern in der Ukraine zusammenhängen?
Alina Gorlova hat ihren Film in zehn Kapitel unterteilt, die jeweils durch eine arabische Zahl gekennzeichnet sind. Auffällig ist, dass ihr Dokumentarfilm genau dort endet, wo er auch angefangen hat: bei 0. Die Luftaufnahmen in Schwarzweiß über eine unwirtliche, von tiefen Furchen durchzogene Karstlandschaft zu Beginn lassen sich sowohl als Anfang als auch als apokalyptisches Ende der menschlichen Zivilisation deuten. Auf diese Weise möchte Gorlova den Kreislauf von Krieg und Frieden, Zerstörung und Wiederaufbau, Leben und Tod betonen, der auch im Filmtitel deutlich wird. Genau das verleiht ihrem Werk einen pessimistischen Grundton, aber zugleich auch etwas Trost und Hoffnung. Ob Zuschauende der Filmemacherin bis ins letzte Detail folgen können, ist aber schlußendlich auch gar nicht so wichtig. Wichtiger ist: „This Rain Will Never Stop“ regt zum Nachdenken darüber an, warum es immer und immer wieder Krieg gibt. Eine klare Antwort gibt der Film nicht, aber er lässt genügend Raum für eigene Gedanken.
Holger Twele
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