Then You Run (Staffel 1)

Vor Gangstern auf der Flucht – Film- und Fernsehmacher*innen greifen gerne auf dieses Erzählmotiv zurück, um ihre Hauptfiguren auf einen turbulenten Trip mit irren Wendungen zu schicken. Besonders amüsant wird es vor allem dann, wenn die Gejagten aus einem völlig anderen Milieu kommen, keine Erfahrung mit knallharten Kriminellen haben. Genau dieses Muster bedient die neue Sky-Eigenproduktion „Then You Run“ nach Zoran Drvenkars Roman „Du“, in der vier junge Frauen quer durch Europa hetzen.

Darum geht es in „Then You Run“:

Nach dem Tod ihrer Oma zieht es die bald 18-jährige Tara von London nach Rotterdam zu ihrem Vater. Seit dem Unfalltod ihrer Mutter vor vielen Jahren hat sie mit ihrem Vater nichts mehr zu tun gehabt und staunt nun über sein Luxusleben in den Niederlanden. Für seine aktuelle Partnerin hat Tara wenig übrig. Und auch ihren Onkel Reagan – ein skrupelloser Drogenbaron – schließt sie nicht gerade ins Herz. Ausgerechnet als ihre Freundinnen Ruth, Stink und Nessi vorbeischauen, überschlagen sich die Ereignisse. Nach einem Todesfall müssen Tara und ihre Mädels fliehen, da sie sich an einer Rauschgiftladung Reagans vergriffen haben. Mit geklautem Auto und mehreren Tüten Heroin im Gepäck heizen sie los. Ihr Ziel: Norwegen.

Lohnt sich die Thriller-Serie für dich? 

Ein Tarantino-Stoff mit Teenagerinnen im Mittelpunkt – ein bisschen so wirkt die achtteilige Romanverfilmung nach Sichtung der ersten drei Episoden. Plötzliche Gewaltausbrüche treffen auf Spannungsmomente, schwarzen Humor, Zeitsprünge und eine betont poppige Inszenierung. Los geht es gleich mit einem echten Knall. Im Nirgendwo auf einer verschneiten Autobahn steckt 2005 ein geheimnisvoller Typ mit dem Spitznamen „The Traveler“ im Stau, den wir auch zu Beginn der nächsten Folgen wiedersehen. Jedes Mal befindet er sich in einem anderen Jahr an einem anderen Ort und sorgt dort, zu viel sei nicht verraten, für helle Aufregung. Irgendwann wird er den Weg unserer Heldinnen kreuzen. Auch auf der Gegenwartsebene warten einige herrlich schräge Überraschungen und Schocks. Klar ist aber schnell: Zwischen der Serie und Tarantinos Crime-Werken, etwa „Pulp Fiction“, liegen Welten.

„Then You Run“ ist dynamisch, hat mit Onkel Reagan einen wirklich fiesen Gangsterboss zu bieten, schwächelt jedoch ausgerechnet bei der Zeichnung der Protagonistinnen. Taras Familiengeschichte soll das emotionale Zentrum der Handlung sein. Hier und da spüren wir zwar, wie sehr eine Enthüllung die Jugendliche bewegt. Oft schieben sich allerdings rasch wieder die Verwicklungen des Roadtrips in den Vordergrund. Hervorstechen kann aus dem Quartett dank Vivian Oparahs feuriger Performance die temperamentvoll-ungenierte Stink. Was in den ersten drei Folgen auffällt: Das Verhalten der Figuren ist manchmal ganz schön seltsam. Ständig treffen sie Entscheidungen, die man auch in einer Ausnahmesituation wie dieser wohl eher nicht treffen würde. Sind die jungen Frauen beste Freundinnen? Das muss man sich bei einigen egoistisch-riskanten Moves wirklich fragen. Auf Seiten der Verfolger*innen sieht es übrigens nicht besser aus. Reagans Handlanger*innen, zu denen auch sein Sohn Darian gehört, stellen sich erstaunlich tollpatschig an. Bleibt nur zu hoffen, dass Serienschöpfer Ben Chanan und sein Autor*innenteam die Charaktere in den restlichen Episoden etwas stärker ausgearbeitet haben. Dann könnte die Reise noch richtig Spaß machen.

Christopher Diekhaus