The Wilds (Staffel 1)
Rund anderthalb Jahrzehnte nach dem Start von „Lost“ überlässt Amazon in „The Wilds“ ebenfalls eine Gruppe von Menschen dem Überlebenskampf auf einer einsamen Insel. Doch trotz zahlreicher Parallelen geht diese Serie einen anderen Weg: Denn hier sind es ausschließlich Teenagerinnen, die plötzlich an einem Strand im Nirgendwo auf sich allein gestellt sind. Jede für sich hat eine aufreibende Geschichte hinter sich – weswegen sie von ihren Eltern zu einem Selbstfindungs-Retreat auf Hawaii geschickt wurden. Der Flugzeugabsturz kam dazwischen. Nur, dass der natürlich kein Zufall war und sie in Wahrheit als Probandinnen in einem wahnwitzigen Experiment herhalten müssen. Was sich daraus dann entwickelt, ist spannend und sympathisch in Szene gesetzt – und trotz einiger Schwächen richtig gut.
Was dich in der ersten Staffel von „The Wilds“ erwartet:
Die Story beginnt mit einer Befragung, nachdem die Mädchen schon längst nicht mehr auf der Insel sind – aber noch lange nicht in Sicherheit, wie sich später zeigen wird. In einem kahlen Verhörraum erzählt die junge Leah den zwei Männern auf der anderen Seite des Tisches von ihren Erlebnissen auf der Insel. Und macht dabei direkt deutlich, dass es traumatisch war – aber längst nicht so traumatisch wie das Leben einer Jugendlichen in unserer heutigen Gesellschaft. Denn das ist wirklich die Hölle. Und damit ist direkt der Fokus der ganzen Serie gesetzt: In „The Wilds“ geht es weniger um den Überlebenskampf in der Wildnis als vielmehr um all das, wovon unsere Heldinnen auf der Insel plötzlich befreit sind. Wodurch sie endlich sie selbst sein können. Was aber auch gar nicht so einfach ist.
In den zehn Folgen der ersten Staffel lernen wir die Mädchen in ihrem alten und ihrem neuen Leben kennen. Erfahren, welchen Widerständen und Erwartungen sie bisher ausgesetzt waren. Und sind dabei, wie sie sich immer mehr davon lösen – und dadurch in so manchen Kampf untereinander geraten. Aber sich auch selbst ganz neu kennenlernen und ein Team bilden, das viel mehr Bedeutung hat als die sozialen Gefüge, in denen sie sich bisher bewegt haben. Aber keine Sorge: „The Wilds“ zeigt hier kein neues Happy Life im Nirgendwo, sondern hält natürlich so manchen fiesen Wendepunkt für uns bereit.
Warum sich die erste Staffel von „The Wilds“ definitiv lohnt:
Klar, die Mischung aus Survival-Flair und eher sauer-schnoddrig geäußerter Gesellschaftskritik ist sicherlich Geschmackssache. Und zum Teil verliert sich die Serie ein wenig in Stereotypen und einer extrem durchkonstruierten Story. Und trotzdem: Lässt man sich erst einmal darauf ein, zieht „The Wilds“ unwillkürlich in den Bann. Denn wir tauchen tief ein in das Leben und in die Gefühlswelt der Mädchen und stoßen dabei sicherlich auf so manches, was wir aus unserem eigenen Leben oder von Menschen aus unserem Umfeld kennen. All die verqueren Verhältnisse, die für viele von uns zur Normalität geworden sind – gepaart mit einer Portion Mut, um sie endlich aufzubrechen. Das ist stellenweise ganz schön überspitzt verpackt, aber dadurch nicht weniger wahr.
Überhaupt ist „The Wilds“ trotz seiner Anlehnungen an Lost viel mehr im richtigen Leben verankert. Was hier passiert, geht nicht ins Mystische, sondern fußt einfach auf ein wenig Größenwahn bei der Planung des Experiments. Im vorstellbaren Rahmen: Was wir miterleben, könnte in diesem Augenblick tatsächlich irgendwo auf der Welt passieren. Ebenso was die Mädchen leisten – denn auch da gibt es im richtigen Leben glücklicherweise jede Menge Parallelen, die unsere Gesellschaft spätestens seit #MeToo wesentlich voranbringen. Es wirkt zwar schon ein bisschen so, als sei Amazon mit der Serie einfach auf einen Trend aufgesprungen. Aber das macht „The Wilds“ dafür echt gut und legt dabei den Finger auf genau die richtigen Stellen.
Wir sind bereits gespannt, was die bereits bestätigte zweite Staffel bringen wird. Das Ende der ersten lässt vermuten, dass da noch einiges auf uns zukommt.
Marius Hanke
Weitere Angaben
Filmtyp: Farbe
Anbieter
Filmverleihamazon