The Stanford Prison Experiment

In den Sommerferien des Jahres 1971 führte der Psychologieprofessor Philip Zimbardo an der kalifornischen Stanford-Universität mit finanzieller Unterstützung des US-Militärs ein soziologisches Experiment durch. Es sollten in einem Gefängnis Gruppenprozesse zwischen Aufsehern und Gefangenen wissenschaftlich untersucht werden. An dem Experiment nahmen ausschließlich junge Studenten teil, die vor allem an der guten Bezahlung interessiert waren. Die 24 Versuchsteilnehmer wurden nach Zufallsprinzip in Gefängnisaufseher und Gefangene unterteilt, wobei die unterschiedlichen Charaktereigenschaften der Probanden zuvor genau diagnostiziert worden sind. Das Experiment war auf maximal zwei Wochen Dauer angesetzt, musste jedoch am sechsten Tag auf Anraten der späteren Ehefrau von Zimbardo, die einst selbst Psychologie bei ihm studiert hatte, abgebrochen werden. Die Versuchsanordnung war längst außer Kontrolle geraten, weil die Teilnehmenden sich so stark mit ihren Rollen identifizierten, dass es – nach der konsequenten Umsetzung von strengen Regeln – zu tätlichen Übergriffen sowie seelischen und körperlichen Folterungen kam.

Der deutsche Regisseur Oliver Hirschbiegel hatte sich bereits 2001 auf der Grundlage eines Tatsachenromans und der bis heute erhaltenen filmischen Dokumente an eine Verfilmung dieses psychologisch und rechtlich umstrittenen Experiments gewagt. Seiner Empörung verlieh er in einer fiktiven Revolte am Ende seines Films (mit dem schlichten Titel DAS EXPERIMENT) Ausdruck. Das US-Remake durch Paul Scheuring folgte neun Jahre später. Daher überrascht es zunächst, dass Kyle Patrick Alvarez jetzt noch eine dritte Verfilmung vorlegt. Doch in der Tat weist sie neue Aspekte auf und kann auch inszenatorisch als gelungen bezeichnet werden.

Alvarez konzentriert sich in seinem Film nicht nur auf die gruppendynamischen Prozesse im nachgebauten Gefängnis, sondern weit mehr auf das Team um Zimbardo, das dieses Experiment überwachen soll und bald merkt, dass es selbst daran beteiligt oder gar darin verstrickt ist. Zimbardo, bis heute ein angesehener Psychologieprofessor, wird im Film als selbstherrlicher, arroganter und nur auf seine Karriere bedachter Wissenschaftler gezeigt, was umso mehr wiegt, als er bei den Vorbereitungen zum Film beratend tätig war. Die ethisch moralische Fragwürdigkeit dieses Experiments und eine reichlich verquere Versuchsanordnung werden ebenfalls angedeutet, – wobei wir nicht erst dadurch wissen sollten, wozu ein ganz normaler Mensch unter extremen Voraussetzungen fähig sein kann.

Holger Twele