The Fabelmans
Darum geht es in „Die Fabelmans“:
Ein großer Saal, eine große Leinwand mit riesigen Menschen, satter Ton, viele Menschen um sich herum, die alle gebannt nach vorne blicken. Alles ist groß, alles anders. Der allererste Kinobesuch kann ein besonderes, vielleicht auch Furcht einflößendes Erlebnis sein. Für Sam Fabelman jedenfalls ist er das. „Die größte Show der Welt‟ heißt der Film, in den ihn seine Eltern im Jahr 1958 mitnehmen – und sich schon bald nicht mehr ganz so sicher sind, ob das die richtige Wahl war. Ein Zug ist auf der Strecke liegen geblieben, ein Auto versucht, den entgegenkommenden Zug zu warnen und zum Halten zu bringen. Doch es bringt nichts. Die Katastrophe ist unausweichlich. Was in Wirklichkeit eine große Tragödie wäre, ist im Kino ein Spektakel. Es kracht, Wagons fliegen durch die Luft. Sams Eltern sind ein wenig besorgt, der 8-jährige Junge jedoch geflasht. Zu Chanukka, dem jüdischen Weihnachtsfest, wünscht er sich bald eine Modelleisenbahn. Doch nicht, um diese im Kreis fahren zu lassen, sondern um den Crash nachzuspielen. Als seine Mutter ihm den Vorschlag macht, den Zusammenprall nur noch ein einziges Mal nachzustellen (um die teuren Modelle zu schonen), das aber zu filmen, ist dies ein weiterer Meilenstein in seinem Leben. Sam spürt, dass das Filmemachen seine Berufung ist.
Lohnt sich der Film für dich?
Mit „Die Fabelmans‟ hat Steven Spielberg nicht nur eine Ode an das Kino und das Filmemachen gedreht, sondern auch seine eigene Biografie – zumindest ein bisschen – in ein episches Drama umgewandelt. Wie Spielberg als Kind wird auch Sam zum erfindungsreichen Nachwuchsfilmer, der mit Spezialeffekten experimentiert, seine Familie als Darsteller*innen einsetzt und immer größere Projekte umsetzt. Unterdessen zieht die Familie von der Ostküste nach Arizona, weil der vielbeschäftigte Vater Burt dort einen Job bekommen hat. Immer dabei ist Bennie, Burts guter Freund und Kollege und auch ein Freund der Familie, der Sam unterstützt und mit seinem Humor und seiner Ausgelassenheit ganz anders ist als der Computerentwickler Burt, der keinen Sinn in Sams „Hobby‟ sieht. Familie hier, Kunst dort – beides zusammenzubringen, ist manchmal schier unmöglich. Sam denkt in Bildern, der Vater in Zahlen. Das passt nicht zusammen. Zu einem großen lauten Knall führt der Film diese Beziehungen nicht. Seine Stärke ist die stille Beobachtung – mit und ohne Kamera. Obwohl der Titel die gesamte Familie in den Blick nimmt und tatsächlich auch Sams Eltern eine wichtige Rolle spielen, konzentriert sich der Film doch auf die Geschichte von Sam. Er beobachtet ihn, wie er vom Kind zum Jugendlichen wird, wie er mit den ständigen Ortswechseln umgeht – irgendwann wird sein Vater an die Westküste versetzt –, wie er mit (auch antisemitischen) Hänseleien im College umgeht, wie er sich zum ersten Mal verliebt, wie er die schwierige Beziehung seiner Eltern miterlebt. Das Filmemachen selbst ist in „Die Fabelmans‟ unterdessen kein Trost, sondern vielmehr ein Brennglas. Wenn Sam sich später ansieht, was er gedreht hat, dann öffnen die Aufnahmen ihm und den Menschen in seiner Umgebung nicht selten die Augen. Sam kann mit der Kamera Wahrheiten ans Licht bringen, Menschen zur Schau stellen oder erhöhen. Indem „Die Fabelmans‟ das immer wieder sichtbar macht, wird er zu viel mehr als nur einem Film über das Erwachsenwerden.
Stefan Stiletto
Weitere Angaben
Filmtyp: Farbe