The Disaster Artist
Mit einer vollkommen enthemmten, talentfreien Performance handelt sich der Möchtegernschauspieler Tommy Wiseau im Jahr 1998 auf einer Schauspielschule in San Francisco eine vernichtende Kritik seiner Lehrerin ein. Der schüchterne, auf der Bühne seltsam verklemmte Greg Sestero dagegen ist umgehend fasziniert vom unerschrockenen Auftreten seines Klassenkameraden, mit dem er sich schon bald anfreundet. Um ihre Hollywood-Ambitionen voranzutreiben, ziehen die beiden ungleichen Männer nur wenig später nach Los Angeles, wo Tommy eine Wohnung besitzt. Obwohl sie fortan fleißig Klinken putzen, lässt der große Durchbruch auf sich warten, was den hochmotivierten, von seinen Fähigkeiten überzeugten Wiseau schließlich dazu bewegt, ein eigenes Filmprojekt auf die Beine zu stellen. Mit einem selbst verfassten Drehbuch namens „The Room“ in der Tasche besorgt er das nötige technische Equipment, Darsteller und eine Film-Crew und gibt den Startschuss für einen chaotischen, nervenaufreibenden Dreh, der angeblich 6 Millionen Dollar verschlingt. Geld, dessen Herkunft allen Beteiligten ein Rätsel ist.
2003 erblickte das unterirdisch geschriebene, schlecht gespielte und inhaltlich erstaunlich zusammenhangslose Melodram „The Room“ das Licht der Welt und erarbeitete sich schnell den Ruf, einer der schlechtesten Filme aller Zeiten zu sein. Nichtsdestotrotz oder gerade deswegen finden mittlerweile alljährlich weit im Voraus ausverkaufte Sondervorführungen statt, bei denen das Publikum das inzwischen kultisch verehrte Leinwandfiasko mit großer Leidenschaft abfeiert. Zu diesen Enthusiasten gehört offenkundig auch Hollywood-Tausendsassa James Franco, der – basierend auf den in Buchform veröffentlichten Dreherfahrungen von Greg Sestero – nun die Entstehungsgeschichte der ambitionierten, aber krachend gescheiterten Independent-Produktion rekonstruiert. „The Disaster Artist“ ist ein Film von Fans für Fans und nähert sich dem exzentrischen Schöpfer von „The Room“ bei aller Lust am Ausmalen der absurden, mitunter brüllend komischen Begebenheiten mit einigem Respekt. Franco ahmt in seiner amüsanten Performance das bizarre Auftreten und den eigenartigen Akzent Wiseaus überzeugend nach, degradiert ihn aber nicht zu einer reinen Witzfigur. Vielmehr scheinen in seiner Beziehung zu Greg und in seiner verzweifelten Suche nach Anerkennung auch tragische Komponenten auf. Anerkennend hervorgehoben wird nicht zuletzt Tommys wilde Entschlossenheit, seine künstlerischen Visionen – so irrwitzig sie auch sein mögen – um jeden Preis zu verwirklichen. In diesem Sinne erzählt die biografische Tragikomödie, von der man gewiss kein vielschichtiges Charakterporträt erwarten darf, eine irgendwie erfrischend verquere Lebe-deinen-Traum-Geschichte vom Rand der amerikanischen Filmindustrie.
Unschöne Schlagzeilen produzierte „The Disaster Artist“ nach der diesjährigen Verleihung der Golden Globe Awards, bei denen der Regie führende Hauptdarsteller als bester Schauspieler in der Kategorie „Komödie/Musical“ ausgezeichnet wurde. Im Anschluss an die Preisgala meldeten sich mehrere Frauen zu Wort, die angaben, in der Vergangenheit von Franco sexuell bedrängt worden zu sein. Anschuldigungen, die es ernst zu nehmen gilt und die die Oscar-Akademie möglicherweise dazu veranlassten, das in Palo Alto geborene Leinwand-Multitalent nicht für einen Goldjungen zu nominieren.
Christopher Diekhaus
Weitere Angaben
Filmtyp: Farbe