The Buccaneers
Historische Stoffe knackig aufzubereiten, liegt im Trend. Der Netflix-Hit „Bridgerton“ lässt grüßen! In dieselbe Kerbe schlägt auch die Apple-Produktion „The Buccaneers“, die auf dem gleichnamigen unvollendeten Roman der US-Schriftstellerin Edith Wharton basiert. Fünf junge Amerikanerinnen aus neureichen Kreisen tauchen darin in die britische Adelsgesellschaft ein und geraten des Öfteren in emotionale Turbulenzen. Klingt kitschig? Ist es zum Glück aber nur selten!
Wovon die Serie „The Buccaneers“ handelt:
New York in den 1870er Jahren: Als Conchita Closson den englischen Lord Richard Marable heiratet, sind ihre besten Freundinnen an ihrer Seite. Im Gegensatz zur Braut haben sowohl Nan und Jinny St. George als auch Lizzy und Mabel Elmsworth noch keine Ehemänner gefunden. Geht es nach den Eltern der beiden Schwesternpaare, soll sich das aber so schnell wie möglich ändern. Praktischerweise werden die Vier nach der Hochzeit zu einem Ball in London eingeladen, auf dem sich vermögende junge Damen dem britischen Adelsnachwuchs präsentieren können. Gemeinsam mit Conchita reisen sie nach England. Während Jinny und Lizzy ein Auge auf Richards undurchsichtigen Bruder James werfen, versteht sich Nan prächtig mit dem geheimnisvollen Guy Thwarte. Parallel macht ihr eine bittere Enthüllung zu schaffen: Nicht Patricia St. George ist ihre Mutter, sondern eine unbekannte Frau, mit der ihr Vater eine Affäre hatte. Während eines Aufenthalts in Cornwall begegnet Nan schließlich dem scheuen Theo. Der Herzog von Tintagel, Guys bester Freund, gilt als begehrtester Junggeselle und ist nach dem Treffen schwer beeindruckt …
Warum „The Buccaneers“ keine öde Historienschnulze ist:
Was schon in den ersten Minuten auffällt: Aufwand und Kosten haben die Macher*innen nicht gescheut. Genüsslich gleitet die Kamera durch prächtig ausgestattete Innenräume. Elegant sind Kostüme und Frisuren. Mit dem Wechsel nach England kommen dann noch atemberaubende Landschaftsbilder hinzu. Optisch hat die Serie alles zu bieten, was man von einer Historiensaga erwartet. Große Gefühle werden manchmal von zu aufdringlicher Klimpermusik begleitet. „The Buccaneers“ ist jedoch mehr als Herzschmerz und hübsche Kleider.
Ein wichtiger Punkt: Das Aufeinanderprallen zweier unterschiedlicher Welten. Auf der eine Seite die lauten, sich nicht so sehr um Etikette scherenden US-Amerikaner*innen, auf der anderen die eher steifen, traditionsbewussten Brit*innen. Erstere streben nach gesellschaftlicher Anerkennung und haben daher Interesse an den Titeln der Adeligen. Letztere verschließen sich zwar nicht dem Geld aus den Staaten, blicken aber mitunter voller Verachtung auf die in ihren Augen vulgären Neureichen. Zu spüren bekommt das vor allem Conchita, die sich in einem zermürbenden Spannungsfeld wiederfindet: Obwohl sie Richard liebt, hat sie keine Lust, sich zu einer braven Hausfrau degradieren zu lassen – was seine Familie aber von ihr verlangt. Abweisung erfährt sie als Schwarze Frau auch aus rassistischen Gründen. Das zumindest deuten einige Szenen an.
Dass Männer ebenfalls unter dem strengen britischen Klassensystem und -denken leiden können, zeigt das Beispiel Theo. Seine Verantwortung schüchtert ihn ein. Nur ungern nimmt er an Brautschaubällen teil. Warum er ausgerechnet von Nan so fasziniert ist? Weil sie ihm unvoreingenommen entgegentritt, nichts auf seinen Titel gibt. Gesellschaftliche Zwänge und Erwartungen lasten nicht zuletzt auf Mabel Elmsworth, die ihre Liebe für Frauen nur heimlich ausleben darf.
Einiges an Konfliktpotenzial bringt Nans persönliche Geschichte mit sich. Immerhin muss sie sich nicht nur zwischen Theo und Guy entscheiden. Von der Auftaktepisode an ringt sie überdies mit ihrer Identität und der Wut über die elterlichen Lügen. Kristine Froseth macht den inneren Kampf ihrer Figur, die im Zentrum der Serie steht, sehr gut spürbar. Erwähnen muss man in diesem Zusammenhang auch Christine Hendricks, die als Nans Mutter/Stiefmutter für einige eindringliche Momente sorgt. Etwa in der vierten Folge, die ohnehin ordentlich Drive hat. Worüber sich pingelige Geschichtsfans wahrscheinlich ärgern werden: Ähnlich wie „Bridgerton“ greift „The Buccaneers“ immer wieder auf moderne Popsongs zurück, die man in einem historischen Setting nicht erwartet. Das Geschehen bekommt dadurch allerdings einen frischen, schwungvollen Anstrich.
Christopher Diekhaus
Weitere Angaben
Filmtyp: Farbe