Sture Böcke (OmU)
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Im Norden von Island stehen die Gehöfte weit auseinander. Sie schmiegen sich an den Fjäll, der bei Schneesturm oft Schutz bietet, und sind nur mit schweren Geländefahrzeugen erreichbar. Hier in der Einsamkeit, auf dem Land, auf dem sie aufgewachsen sind, leben die Brüder Gummi (sprich: Gümmi) und Kiddi (sprich: Kitti). Ihre Höfe stehen zwar dicht beieinander, doch da sie seit mehr als vierzig Jahren nicht miteinander gesprochen haben, nützt ihnen die räumliche Nähe nichts.
Bei der Prämierung des besten Schafbocks entdeckt Gummi, dass Kiddis Bock nicht gesund ist. Bald stellen die Veterinäre fest, dass im Tal einige Tiere von der hochansteckenden und tödlichen Traberkrankheit befallen sind. Das bedeutet, dass alle Schafe von allen Züchtern geschlachtet werden. Die Ställe werden ausgeräumt und desinfiziert und zwei Jahre lang dürfen keine neuen Tiere gehalten werden.
Die Abfindung vom Staat mag finanziell das Nötigste abdecken, Einsamkeit und Nichtstun aber vertreiben bald die Ersten aus der Gegend. Kiddi, der Gummi die Schuld an der Misere gibt, säuft sich in diesem Winter die Seele aus dem Leib, Gummi aber bemüht sich, das alte Leben weiterzuführen, denn nach außen tut er zwar einsichtig, in seinem Keller aber hat er heimlich ein paar Schafe versteckt. Doch sein Geheimnis bleibt nicht unentdeckt und bald braucht Gummi Kiddis Hilfe.
Es ist schon erstaunlich, wie oft Filme mit dem Etikett „Komödie“ versehen werden, die eigentlich tragische Dramen sind. Die Helden von „Sture Böcke“ haben für uns, die wir in dicht besiedelten Gegenden leben, zwar durchaus auch komische Qualitäten, das, was sie erleben ist jedoch recht unbarmherzig. Die Tiere, die ihnen nicht nur das wirtschaftliche Überleben sichern, sondern auch die einzigen Vertrauten sind, werden ihnen genommen und damit die Wärme, die es in ihrem Leben noch gibt. Für die existenzielle Bedeutung der Tiere findet Kameramann Sturla Brandth Grøvlen, der sein ungewöhnliches Talent bereits in der Berliner Tour de Force von Sebastian Schippers „Victoria“ unter Beweis stellte, großartige Bilder. Sie übermitteln die Wut, den Trotz, die Trauer und die Hoffnung der alten Männer auf eine Weise, die nicht nur die existenziellen Gegensätze verdeutlichen, sondern auch den auf das Wesentliche reduzierten harten Alltag. Auch die spärlichen Dialoge beschränken sich auf das Nötigste, während die Geräusche überdeutlich vermitteln, welchen Stellenwert Tiere und Natur, aber auch ein dampfender Wasserkessel, einlaufendes Badewasser oder das Radio, durch das Nachrichten aus der fernen Welt in die Häuser am Fjäll gelangen, für die hier lebenden Isländer haben. Welche Wucht dieser Film auf der Kinoleinwand gehabt haben muss, lässt sich im Bereich des Home Entertainment nur erahnen.
Sigurður Sigurjónsson und Theodór Júlíusson, die als verstrittene Brüder gelegentlich zwar aussehen wie der alte Pettersson, niemals aber dessen verschrobene Heiterkeit verströmen, spielen großartig. Das Leben dort im Norden von Island mag alles Mögliche sein: heiter ist es eher selten und verschroben ist es keineswegs. Es ist existenziell und geradlinig und gleichzeitig ungeschützt, bestimmt vom Wetter und vom Fjäll.
Rotraut Greune
Weitere Angaben
Filmtyp: Farbe
Sprachen: Isländisch
Untertitel: Deutsch
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