Silent Storm

Balor ist ein Mann Gottes – aber keiner von der besonders gnädigen Sorte. Seine Bergbau-Gemeinde auf einer kleinen schottischen Insel hält der Pastor mit eiserner Hand zusammen, ebenso seine Ehe. Doch dann schließt die Mine und sämtliche Arbeitsplätze verlagern sich aufs Festland. Balor und seine Frau Aislin sind auf einmal vollkommen allein auf dem Eiland – und die Distanz zwischen ihnen wird noch spürbarer. Als kurze Zeit später ein junger Mann mit krimineller Vergangenheit in ihre Obhut kommt, damit Balor ihn im Rahmen eines Resozialisierungsprogramms auf den Pfad der Tugend zurückführt, gerät der zweifelhafte Haussegen komplett in Schieflage. Die beiden Männer könnten gegensätzlicher nicht sein: der fanatische Purist auf der einen Seite und ein lebensgewandter Idealist mit Hang zur Literatur auf der anderen. Balor versucht seinen Schützling zu brechen und wendet dabei immer härtere Methoden an. Währenddessen entwickelt Aislin Gefühle für den jungen Mann

„Silent Storm“ erzählt eine Geschichte, die im ersten Moment weit fernab unserer Lebenswirklichkeit zu liegen scheint – doch ihre Hauptfigur steht stellvertretend für unzählige Haustyrannen, die leider noch immer überall in unserer Gesellschaft zu finden sind. Damian Lewis – vielen bekannt aus der mehrfach ausgezeichneten Fernsehserie „Homeland“ – verkörpert die erschreckende Machtposition und die Besessenheit seiner Rolle auf durchdringende Weise, zeigt dabei aber auch mit wirkungsvollen Nuancen die menschliche Schwäche, die darin verborgen liegt. Man sieht hier einen Mann, der mit seiner unnachgiebigen Härte nicht nur andere zerstört, sondern nach und nach auch sich selbst. Das geht an die Nieren. Umso schöner, dass Andrea Riseborough (Birdman, Disconnect, Shadow Dancer) in der Rolle der Aislin allen Widrigkeiten zum Trotz hoffnungsvolle Kontraste setzt.

Mit seiner schwermütigen Erzählweise und dem ausdruckstarken Spiel bewegt sich „Silent Storm“ gefühlt näher am Theater denn an den üblichen Filmgewohnheiten. Doch hat man sich erst einmal darauf eingestellt, entwickelt der Film trotz seiner gefühlten Langsamkeit eine faszinierende Zugkraft.

Marius Hanke