Oray

Film: Oray
Prädikat besonders wertvoll
Länge:
100 Minuten
Altersempfehlung:
Ab 14 Jahren
FSK-Freigabe:
Ab 0 Jahren
Kinostart:
30.05.2019
Regie:
Mehmet Akif Büyükatalay
Darsteller:
Zehjun Demirov (Oray), Deniz Orta (Burcu), Cem Göktas (Bilal), Mikael Bajrami (Ebu Bekir)
Genre:
Drama
Land:
Deutschland, 2019

Oray ist ein junger Muslim aus Hagen. Nach einem Streit mit seiner Frau Burcu spricht er ihr in Wut ‚talaq‘ auf die Mailbox. Die islamische Scheidungsformel  bedeutet, dass für drei Monate eine Trennung auf Probe stattfinden muss. Oray folgt seinem Glauben, denn er gibt ihm Halt. Zum Unverständnis von Burcu zieht er nach Köln, kommt erst bei einem Freund unter, findet Arbeit auf einem Trödelmarkt und Anschluss an eine muslimische Gemeinde, deren Mitglieder sein Charisma beeindruckt. Dann steht Burcu vor der Tür und Oray weist sie nicht ab. Sie besucht ihn regelmäßig. Der Abstand scheint ihrer Beziehung eine neue Chance zu geben. Doch der junge Kölner Imam Bilal vertritt eine strengere Auslegung islamischen Rechts. ‚talaq‘ bedeutet keine Trennung auf Probe, sondern eine endgültige Scheidung. Oray verdrängt dies, ist aber zerrissen zwischen der Liebe zu seiner Frau und der Liebe zu seinem Glauben.

Am Anfang des Films steht eine Videoaufnahme von Oray, der leidenschaftlich die Wichtigkeit des muslimischen Glauben für ihn erklärt - drastisch, etwas pathetisch. Es ist ein Internetvideo. Dann beginnt der Film und nach und nach zeigt sich der Mensch Oray hinter dieser Aufnahme und es erschließen sich die Zusammenhänge seines Lebens. „Oray“ ist der Abschlussfilm von Mehmet Akif Büyükatalay an der Kunsthochschule für Medien. Von ihm und seinen beiden Produzenten ein bemerkenswerter Kraftakt, geht der Film doch über das übliche Pensum eines Abschlussfilms hinaus. Ganz ruhig, unaufgeregt und nah porträtiert „Oray“ den Alltag eines jungen Muslims, der durch einen impulsiven Ausrutscher in einen fatalen Gewissenskonflikt gebracht wird. Die Männergemeinschaft von Orays muslimischer Gemeinde mag mit ihrem strengen Regelwerk für Außenstehende viele Fragen aufwerfen. Dass ein Mann seiner Frau gegenüber eine Scheidungsformel aussprechen darf und diese sich zu fügen hat, steht empfindlich konträr zu jeder Gleichberechtigung. Doch zugleich wird sehr gut nachvollziehbar, wieso die Gemeinde für Oray, der eine Vergangenheit als vorbestrafter Kleinkrimineller hat, und für Seinesgleichen einen sinnstiftenden Zusammenhalt bietet. Und seine Frau Burcu gibt sich mitnichten zufrieden, ist sie doch auch sonst diejenige, die mit klaren Zielen ihren und Orays Alltag managt. „Oray“ beurteilt nicht, sondern zeigt auf, dass es keine einfachen Antworten gibt - nicht für Muslime, denn es gibt nicht den einen Islam, aber auch generell nicht beim Spagat zwischen Glauben und Fühlen, Regeln und Regelbruch. Zu Recht gewann der Film bei der Berlinale den Preis als Bester Erstlingsfilm und Hauptdarsteller Zehjun Demirov wurde für sein differenziertes Spiel bei den First Steps ausgezeichnet.

Kirsten Loose

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