Nicht ohne uns! (OmU)

Wenn es darum geht, der heranwachsenden Generation eine lebenswerte Zukunft zu gestalten, haben die unmittelbar Betroffenen, also die Kinder unserer Welt, so gut wie keine Stimme und erst recht kein verbrieftes Mitspracherecht. Selten genug, dass sie in ihren Wünschen und Bedürfnissen, aber auch in ihren Ängsten und in ihren Hoffnungen auf eine lebenswerte Zukunft wirklich Gehör bei den Erwachsenen finden. Würde das systematisch geschehen, wäre die Welt vielleicht nicht unbedingt besser, aber sie würde ganz sicher anders aussehen. Das weltumspannende filmische Langzeitprojekt „199 kleine Helden“ von Sigrid Klausmann und ihrem Mann, dem Produzenten Walter Sittler, hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, Kindern aus allen Teilen der Erde und aus jedem Land der Welt durch Kurzfilme eine Stimme zu geben. Zugleich mit einem Zeichen gegen die Angst vor dem Fremden wird deutlich, dass es über alle Kulturen und Religionen hinweg Gemeinsamkeiten und Verbindendes zwischen diesen Kindern gibt. Aus den ersten Porträts von 16 Kindern aus allen Kontinenten zwischen elf und 14 Jahren entstand dieser Film „Nicht ohne uns!“, der unter anderem die Auszeichnung „Goldener Spatz“ 2016 in der Kategorie „Bester Dokumentarfilm“ erhielt.

Schon in der kleinen, in der Montage der vielen Gesichter zunächst verwirrenden und gewöhnungsbedürftigen Auswahl der „kleinen Helden“ ist unübersehbar, wie unterschiedlich das Lebensumfeld dieser Kinder ist. Daher legt der Film großen Wert darauf, dieses Lebensumfeld durch den unmittelbaren Einbezug der Landschaft zu veranschaulichen. Allein schon der Schulweg, der den Rahmen für die Kurzporträts liefert, zeigt eindrucksvoll, dass die Kinder in ihrem Alltag, in ihren Problemen und in ihren möglichen Zukunftsperspektiven ganz verschiedene Herausforderungen zu meistern haben. Die einen müssen sich um ihre Existenz keine großen Sorgen machen, selbst wenn sie sehbehindert sind oder fernab des pulsierenden Stadtlebens auf einem Bergbauernhof aufwachsen. Andere wiederum kämpfen mit ihren Familien ums tägliche Überleben, müssen sich mit Gewalterfahrungen und vielfältigen unmittelbaren Bedrohungen auseinandersetzen. Nicht alle können oder dürfen ihren Wunsch nach Schule und Bildung realisieren.

Es geht ungerecht zu auf dieser Welt, daran lässt der Film keinen Zweifel. Allen Kindern gemeinsam ist jedoch, dass sie einesteils um die Zukunft der Welt besorgt sind, andernteils große Hoffnungen in diese Zukunft setzen. Bei allen Kindern stehen Freundschaft und Liebe, der Wunsch nach einer intakten Familie und einem Leben in Sicherheit und Frieden ganz oben auf der Wunschliste. Wenn es um ihre Zukunft geht, möchten sie endlich gehört werden und diese aktiv mitgestalten. Die Kinder allein kommen hier zu Wort, nicht die Erwachsenen oder sogenannte Fachleute. Dieser Authentizität verpflichtet ist der Originalton. Er ist immer zu hören, selbst wenn die deutsche Übersetzung eingesprochen bzw. eingeblendet wird. Man darf gespannt sein, wie sich das Projekt weiterentwickelt und ob es dann auch weitere Kinofilme geben wird.

Holger Twele