Maternal
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Im Heim für minderjährige Mütter prallen Welten aufeinander: Teenagerinnen, die ungewollt schwanger werden und dort Zuflucht finden, treffen auf Nonnen, die allem Weltlichen abgeschworen haben und selber keine Mütter sein dürfen – dieser Kontrast weiblicher Lebensentwürfe macht das argentinische Drama so besonders.
Worum es im Film „Maternal“ geht:
Lu und Fati sind beide schon mit 17 Jahren Mutter geworden und beste Freundinnen. Lu macht sich für ein verbotenes Date zurecht. Sie ist rebellisch und fordernd. Grell geschminkt, kurzer Rock, sie will ihren Lover treffen, obwohl der verheiratet ist und sie geschlagen hat. Natürlich kommt Lu zu spät ins Heim zurück und bekommt Ärger, aber, wie sie ihrer zurückhaltenden Freundin Fati stolz verkündet: „Er hat mich am Bahnhof gefickt“. Das Nonnenheim ist für sie Zuflucht, Heim und Gefängnis zugleich. Es geht durchaus quirlig zu bei den vielen jungen Müttern und kleinen Kindern, aber die Nonnen sorgen mit strenger Hand für Führung. Die Kinder werden natürlich christlich konservativ erzogen. Anhand der heiligen Familie wird ihnen das Idealbild einer Modelfamilie vermittelt: Vater, Mutter, Kind. Nur – Ironie der Geschichte - Väter gibt es hier gar nicht. Sie tauchen noch nicht mal am Rande auf.
Mit der neuen Novizin Paola ziehen dann weitere Konflikte in den Nonnenorden ein. Paola ist jung und schön, vor allem aber sanft, mitfühlend und vorurteilsfrei. Sowohl Fati als auch Nina, die vierjährige Tochter von Lu, verfallen sofort ihrem Großmut. Und Lu ist eifersüchtig. Vor allem auf die beste Freundin. Irgendwann haut Lu einfach ab und lässt die kleine Tochter ohne ein Wort zurück. Jetzt rückt Paola ins Zentrum des Geschehens, die verbotenerweise starke Muttergefühle für das tapfere kleine Mädchen entwickelt.
Was „Maternal“ so besonders macht:
Alles in Maura Delperos Spielfilmdebüt wirkt verdammt echt, wie dokumentarisch beobachtet. Tatsächlich hat die Regisseurin Delpero, die vorher mit Dokumentarfilmen international erfolgreich war und hier auch das Drehbuch schrieb, über einen Zeitraum von vier Jahren in Einrichtungen dieser Art in Argentinien recherchiert. Sie hat mit den jungen Frauen dort über ihr Leben gesprochen und Film-Workshops angeboten. Besetzt ist „Maternal“ mit Laien und professionellen Schauspielerinnen, die allesamt intensiv und natürlich spielen. Die Darstellerin der Lu zum Beispiel hat Delpero in einer solchen Einrichtung gefunden.
Das leise Drama lebt von Zwischentönen. Vieles ergibt sich aus Blicken und Gesten, die mehr über die Innenwelt der Figuren sagen, als Worte. Was bedeutet es, so jung schon Mutter zu sein, aber auch niemals Mutter sein zu dürfen? „Maternal“ bringt uns ganz automatisch dazu, Rollenbilder zu hinterfragen. Viele gesellschaftlich relevante Themen schwingen aber darüber hinaus indirekt mit: Warum ist es für Frauen oftmals schwierig, ihr Recht auf Selbstbestimmung einzufordern? Was ist mit den Vätern? Wieso werden sie nicht zur Verantwortung gezogen? Abtreibung?
Christiane Radeke
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