Marshall

In den späten 1930er Jahren versucht ein Mann gegen alle Widerstände als Rechtsanwalt im Amerika der Rassentrennung seinen Weg zu gehen. Thurgood Marshall ist jung und ehrgeizig, und er ist Afroamerikaner. Der Ruf eilt ihm voraus, auch die schwierigsten Fälle zu übernehmen. Für Mandanten seiner Hautfarbe ist er oftmals die letzte Hoffnung auf Gerechtigkeit. So wird ihm der Fall des dunkelhäutigen Chauffeurs Joseph angetragen. Im erzkonservativen Connecticut soll er die Ehefrau seines Chefs brutal vergewaltigt haben. Der Angeklagte streitet alles ab und beteuert unschuldig zu sein. Um überhaupt Zugriff auf den Fall zu bekommen, denn Marshall wird vom Gericht nicht anerkannt, verbündet er sich mit dem unerfahrenen, jüdischen Versicherungsanwalt Sam Friedman. Der Fall schlägt als gefundenes Fressen für die Yellowpress hohe Wellen und offenbart Rassismus und Antisemitismus. Weil Friedmann einen schwarzen Angeklagten vertritt, gerät auch seine Familie unter öffentlichen Druck. Gleichzeitig offenbart der Aufsehen erregende Prozess nicht nur die rassistisch motivierte Gesetzsprechung in den USA und die frappierende Kluft zwischen Rechtsprechung und Gerechtigkeit, sondern auch die bigotten Unterdrückungsmechanismen einer patriarchalen Gesellschaft, welche Frauen in Zwangslagen bringt.

Reginald Hudlin (The Ladies Man) ist seit 1990 ein umtriebiger Regisseur, zuletzt vor allem für US-amerikanische Qualitätsserien. Außerdem ist er als Produzent und Drehbruchautor tätig. Das Biopic über die frühen Jahre des später verehrten ersten afroamerikanischen Richters am obersten Gericht, war sicher ein Herzensprojekt. Thurgood Marshall lebte von 1908 und 1993. Nach den mühevollen Anfangsjahren als Anwalt begann Marshalls kometenhafte Karriere. Präsident John F. Kennedy berief ihn 1961 zum Appellationsgericht des Bundes, später war er am Bundesberufungsgericht und wurde dann Oberster Anwalt der Vereinigten Staaten. Posthum wurde der Richter Marshall sogar mit der Freiheitsmedaille, der höchsten zivilen Auszeichnung der USA, geehrt. Doch in seinen frühen Jahren kämpfte er scheinbar auf verlorenem Posten gegen Ausgrenzung und Rassenhass. Sein tief empfundenes Gerechtigkeitsempfinden lieferte das Fundament für die spätere Bürgerrechtsbewegung. Die Filmbiografie wurde von der US-Presse hoch gelobt und erhielt zahlreiche Nominierungen und Auszeichnungen. Die Hauptrolle verkörpert Chadwick Boseman mit überraschend humorvoller Leichtigkeit, mit ironischer Distanz zu den absurden Auswüchsen des amerikanischen Rechtssystems, mit zielstrebigem Selbstbewusstsein und Durchsetzungswillen. Kurzweilig, eindringlich und emotional berührend beleuchtet das Biopic eine Jahrhundertkarriere, in der sich der tief eingeschriebene Rassismus ebenso spiegelt wie die herausragenden Charaktereigenschaften dieses Mannes – ohne ihn dabei auf ein Podest zu hiefen - welcher der ihm zugechriebenen Rolle in der Gesellschaft mit Widerstandskraft, Menschlichkeit und schwarzem Humor begegnete. In Deutschland erscheint die ambitionierte und unterhaltsame Filmbiografie als DVD Premiere.

Christiane Radeke