Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt
Fünf Jahre sind vergangen, seit Karl Schmidt in Berlin am Tag des Mauerfalls zusammenbrach und in die Psychiatrie kam. Inzwischen lebt er in einer Drogen-WG in Hamburg-Altona, arbeitet als Hilfshausmeister und Tierpfleger in einer Kindereinrichtung und rührt weder Alkohol noch sonstige Droge an. Sein einziger heimlicher Genuss ist ein gelegentliches Eis in der Eisdiele. Dort trifft er eines Tages unerwartet auf Raimund, einen Kumpel aus früheren Berliner Tagen. Raimund und ihr gemeinsamer Freund Ferdi hatten in den letzten fünf Jahren in der Techno-Szene Erfolg. Ihr Label „Bumm Bumm Records“ machte sie reich und ihr vieles Geld ist ihnen allmählich unheimlich. Vor allem Ferdi will zurück zu den Wurzeln des Sound: Musik mit Seele, kein Mega-Kommerz. Karl, auch genannt „Charlie“, soll ihnen dabei helfen, denn sie brauchen einen Fahrer für ihre „Magical Mystery“-Tour, mit der sie das neue Alternativ-Label „Kratzbombe“ bekannt machen wollen. Einen, der immer nüchtern ist. Charlie übernimmt den Job und damit die Verantwortung für eine schräge Truppe und seit langem zum ersten Mal auch wieder für sich selbst.
„Nicht jeder, der sich nicht bewegt, ist tot“, sagt Karl Schmidt relativ am Anfang des Films und das gilt nicht nur für das von ihm betreute Krokodil, sondern auch für ihn selbst. Die Drogen-WG mit ihrem Betreuer Werner Maier mag Sicherheit geben, Lebendigkeit versprüht sie nicht. Und der für ihn vorgesehene Urlaub in einer Art Reha-Klinik nimmt ihm die letzten Aufgaben, mit denen er sich lebendig fühlte. Kein Wunder also, dass die kurze Begegnung mit Raimunds Quirligkeit ihn auf neue Ideen bringt. Mit der Auszeit, seinem Ausflug in ein früheres Leben, kehren natürlich auch alte Ängste zurück. Aber Karl Schmidt hat inzwischen genug Substanz aufgebaut, um sich der Situation zu stellen. Denn so eine Chance kommt nicht so schnell wieder, das ist mal sicher.
Charlie, Ferdi, Raimund, Rosa und die anderen Raver sind Träumer. Ihr Traum heißt nicht: Geld. Ihr Traum heißt: Liebe. Gemeinschaft ist das große Stichwort, Freundschaft, Zusammenhalt, So-sein-dürfen wie man ist. Und so lebt die Geschichte nicht vom Zeitgeist, sondern von einem zeitlosen Lebensgefühl.
Arne Feldhusen, der mit „Stromberg“ und „Der Tatortreiniger“ witzig-freche TV-Kultgeschichte schrieb und mit Stromberg – Der Film sein Kinodebüt gab, verlässt mit der Verfilmung von Sven Regeners gleichnamigen Roman die bissige, makabre Seite der Komik und wechselt zu tragikomisch-berührendem Humor. Mit Großaufnahmen lenkt er den Blick auf die merkwürdigen Details des realen Lebens. Kleine, feine Dialoge betonen gleichzeitig verträumte Sehnsucht und Kalenderspruch-Philosophie. Seine Schauspielerführung ist großartig auf dem Punkt, seine Dramaturgie gibt den Rhythmus vor. Natürlich schimmert da Sven Regeners Erzählstil durch, der das Drehbuch zum Film verfasste. Als Zuschauer möchte man mit in dem Kleinbus sitzen, die Kindlichkeit teilen, Blödsinn verzapfen, dösen, beatboxen, von der nächsten Nacht träumen. Die Schauspieler Charly Hübner, Detlev Buck, Marc Hosemann, Annika Meier, Bastian Reiber und Jacob Matschenz sind dabei ein grandioses Team: Mit der genau richtigen Mischung aus Mitgefühl und Ignoranz, Oberflächlichkeit und Tiefe knallen sie sich zu großartiger Musik die Rübe zu, verlassen sich trotzdem aufeinander und können das auch ohne Wenn und Aber. Der Soundtrack folgt ihnen dabei. Auf harte Beats folgen weiche Stücke, die Musik geht immer unter die Haut. „Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt“ wirkt insgesamt auch ohne Zusatzstoffe berauschend. Wer sich also vor den 1990ern nicht fürchtet, sollte sich mit dem Film und guten Freunden einen unterhaltsamen, manchmal melancholischen Abend gönnen.
DVD Extras: Making of
Blu-ray Extras: Making of
Rotraut Greune
Weitere Angaben
Filmtyp: Farbe
Sprachen: Deutsch