Lotte

Lotte ist Anfang 30, arbeitet als Krankenschwester und driftet mit schnoddriger, großer Klappe durch ihr Leben und durch Berlin. Dass ihr Freund Lotte rauswirft, weil er mit ihrer Art nicht mehr kann, kriegt sie nicht unter. Cool telefoniert sie Bekannte für einen Schlafplatz ab, bis sie schließlich eine neue Bleibe in einer Fahrradwerkstatt findet. Doch Lottes Vergangenheit klopft unweigerlich immer wieder an. Als sie in ihre Stammkneipe gerufen wird, um einen Verletzten zu verarzten, entpuppt sich dieser als Marcel, ein lange vergessener Ex von früher. Kurz darauf wird die 15jährige Greta in Lottes Krankenhaus eingeliefert. Marcel ist ihr Vater und Lotte die Mutter, die die beiden vor 15 Jahren sitzen ließ. Als Greta Lotte zufällig wiedertrifft und beharrlich an ihr dran bleibt, ist Lotte gezwungen, sich mit ihr zu beschäftigen.

Mittlerweile hat sich eine Generation junger deutscher Filmemacher hervorgetan, die komplett ohne Fördergelder und damit auch ohne Vorschriften Filme macht. Love Steaks von Jakob Lass gehört zu den bekanntesten Vertretern. Mit „Lotte“ legt Julius Schultheiß sein Debüt vor, das er aus eigenem Geld plus Crowdfunding finanzierte. „Lotte“ stellt die „klassische“ Situation des Vaters, der Frau und Kind verlassen hat, auf den Kopf. Hier ist es die Mutter, die sich dem Familien- und Elternsein komplett entzogen hat. Auf den ersten Blick scheint Lotte tatsächlich „zu viel“: Laut, aggressiv, rauchend, trinkend lässt sie sich von niemandem was sagen. Durch das starke Spiel von Hauptdarstellerin Karin Hanczewski geht es einem mit Lotte aber ähnlich wie ihrer Tochter Greta. Man ist von Lottes rotziger autarker Art fasziniert und mag mehr von ihr mitbekommen. Der Film erzählt keine große Geschichte, sondern zeichnet eher skizzenhaft ein Porträt von Lotte und ihre Auseinandersetzung mit den beiden Menschen, die ihre Familie sein könnten. Atmosphärisch stark und kompakt erzählt eine durchaus sehenswerte Studie.

Kirsten Loose