Joker
Die Bösewichte waren im Hollywoodkino schon immer für schillernde Figuren und grandiose Schauspielerleistungen gut und preisverdächtig. Seien es die, von Gerd Fröbe über Klaus Maria Brandauer bis Javier Bardem und Christoph Waltz brillant besetzten Gegenspieler von James Bond, Al Pacino als Big Boy Caprice in „Dick Tracy“ oder eben Batmans größter Gegner, der durch und durch böse Joker in den „Batman“-Verfilmungen. Gerade die Joker-Figur hat Ausnahmeschauspielern wie Jack Nicholson und Heath Ledger legendäre Kinoauftritte ermöglicht. Nun hat Regisseur Todd Philipps dem „Joker“ einen ganzen Film gewidmet, der Joaquin Phoenix als Joker den diesjährigen Oscar als „Bester Hauptdarsteller“ beschert hat.
In seinem Film erzählt Regisseur Phillips – recht frei und losgelöst von den Batman-Comicvorlagen – die Geschichte von Arthur Fleck, der im Jahre 1981 zum schlimmsten Verbrecher von Gotham City wird. Arthur ist eine klassische Looser-Figur. Er schlägt sich als Clownsdarsteller mit Gelegenheitsjobs, die er von einer Agentur erhält, durchs Leben und wird von denen, die einen besseren sozialen Status im Leben haben als er, erniedrigt und gedemütigt. Zuhause erwartet ihn eine kranke Mutter, um die er sich anfangs fürsorglich bemüht. Doch je böser das Leben ihm mitspielt, desto seltsamer wird auch Arthur. Zu einer Nachbarin hegt er eine stille Zuneigung, doch sie weist ihn zurück. In der U-Bahn wird er von einigen jungen Banker-Typen provoziert. Arthurs Wut eskaliert. Er begeht seinen ersten Mord, blutig und brutal. Er genießt die Tat – die Initiation zum Bösewicht ist vollzogen. Sein Mord an den kaltherzigen Bankern wird als politische Tat verstanden. In einer Zeit großer Armut und schwerer Wirtschaftskrise wird der Mann im Clownskostüm zur Ikone des Klassenkampfs der kleinen Leute gegen das reiche Establishment, das im Film vor allem durch den reichen Unternehmer Thomas Wayne repräsentiert wird. Wayne will Bürgermeister von Gotham City werden. Doch dazu kommt es nicht mehr. Die Fans der Batman-Comics kennen den Verlauf: Wayne wird nach einem Theaterbesuch in einer dunklen Gasse von Straßenräubern ermordet. Für Sohn Bruce wird der Tod des Vaters zum Trauma, aus dem heraus er zum „dunklen Ritter“ von Gotham City wird. Als „Batman“ bekämpft er das Böse, allen voran den Joker, der nach dem Mord in der U-Bahn Geschmack am Töten gefunden hat und bald durch weitere Morde Aufsehen erregen und zum Helden des Chaos in Gotham City aufsteigt.
Der „Joker“ war an der Kinokasse weltweit sehr erfolgreich, weil er die Wut-Mentalität vieler Bürger nicht nur in der US-Gesellschaft spiegelt. Dieses Konzept ging auf, weil Joaquin Phoenix seine Antihelden-Figur mit Bravour voller Melancholie, Ironie und schwarzem Humor verkörperte. Auch ist es sein grandioses Schauspiel, das – unterstützt von einigen anderen Darstellern wie Frances Conroy und Robert de Niro – die unentschiedene Erzählkonzeption des Films überspielt und letztlich doch zusammenhält. Die simple Antihelden-Geschichte, die seicht und klischeebeladen schlichte Gemüter zu tatsächlicher Gewalt ermuntern könnte und daher beim Streaming-Dienst Amazon Prime vorsorglich als „ermahnende Erzählung“ angekündigt wird, schneidet sich permanent mit der Ambition, aus dem Joker-Stoff ein realistisches Sozialdrama im Gangsterfilm-Genre machen zu wollen. So sind die Anklänge an die frühen New-York-Filme Martin Scorseses wie „Hexenkessel“ oder „Taxi Driver“ in der Farbgebung des „Joker“ ebenso überdeutlich wie in der Dramaturgie der negativen Coming-of-Age-Heldenreise der Hauptfigur.
Doch Blockbuster-Comic und Scorseses Milieufilme gehen nun einmal schwer zusammen. Für eine gelungene Milieustudie fehlt Todd Philipps‘ Film die psychologische Tiefe der Figuren, für die Blockbuster-Comicverfilmung die visuellen Wow!-Effekte. Der einzig herausragende Schauwert des Films ist Phoenix‘ Spiel und vielleicht noch die Filmmusik. Beides wurde mit einem Oscar belohnt.
Werner Barg
Weitere Angaben
Filmtyp: Farbe
Sprachen: Deutsch, Englisch, Dt.f.Sehg.
Untertitel: Dt. f. Hörg., Engl. f. Hörg.