Heldenkampf in Stalingrad

Der deutsche Verleihtitel ist irreführend, denn Stalingrad ist in diesem russischen Film aus dem Jahr 2004 nicht einmal aus der Ferne zu sehen. Das Drama erzählt vor der historischen Folie des deutschen Russlandfeldzugs im Jahr 1941 aus rein russischer Perspektive und ungewöhnlich selbstkritisch eine Begebenheit aus einem kleinen Dorf, das wie in einer Parabel stellvertretend für die zerrissene russische Gesellschaft jener Zeit steht. Nach einer fulminanten Eingangssequenz, in der wie aus dem Nichts panzerbewehrte deutsche Soldaten in ein russisches Dorf einfallen und im Quartier der russischen Armee brutal jeden niedermähen, der eine Uniform trägt, hört das Morden, Kollaborieren und Verraten nicht auf. Nur findet es anschließend nicht mehr zwischen den Kriegsparteien statt, sondern in Nahaufnahme unter den eigenen Leuten. Bei der Erstürmung des Quartiers entkommen ein glatzköpfiger Tschekist, ein jüdischer Intellektueller und Hauptmann sowie ein junger Scharfschütze dem Tod durch Erschießen nur dadurch, dass sie sich in letzter Sekunde ihrer Uniform entledigen können. Um nicht für ein Stück Brot von den eigenen Leuten verraten zu werden, ist gleich der erste Mord fällig. Nachdem sie dem Gefangenentransport entwischen konnten und sich beim Vater des Scharfschützen in dem betreffenden Dorf verstecken, droht gleich der nächste Verrat, der wiederum mit der gleichen Methode vereitelt wird. Aber auch der um Freiheit und Unabhängigkeit bemühte Vater, der auf Stalin nicht gut zu sprechen ist, seine beiden Töchter und andere Bewohner des Ortes geraten durch die drei von der russischen Polizei wie den Deutschen gleichermaßen Gesuchten in ein nahezu undurchdringbares Netz aus Intrigen und Bedrohungen. Kammerspielartig fokussiert der Film auf die Beziehungen zwischen diesen Menschen, die von beachtlichen Darstellerleistungen getragen sind. In seinen historischen innenpolitischen Bezügen setzt der Film einiges an Wissen voraus. Andererseits ermöglicht er einen seltenen und weitgehend unbekannten Einblick in russische Befindlichkeiten jener Zeit. Vor allem aber zeigt er das Dilemma von Menschen in Extremsituationen, die ihre Ziele und Ideale verraten, um zu überleben.

DVD-Bildformat: 1:2,35
Ton: Dolby Digital 5.1
Sprachen: Deutsch, Russisch

Holger Twele