Fünf Dinge, die ich nicht verstehe
Wie findet man als 15-Jähriger seinen Platz im Leben, wenn man als Bauernjunge auf einem Hof im Einzugsgebiet einer Stadt aufwächst, in der Freizeit nach der Schule auf dem Hof voll mit anpacken muss, vom alleinerziehenden Vater wenig Verständnis erhält und obendrein ständig im Schatten des älteren Bruders steht, der bereits eine feste Freundin hat? Weit untertrieben sind es mindestens fünf Dinge, die Johannes daher nicht versteht. Nach außen hin gibt er sich so cool wie er nur kann. Doch in ihm kocht es vor ohnmächtiger Wut und da er nicht weiß, wohin damit, reagiert er sie einfach an den Mülltonnen in einer Unterkunft für Migranten ab. Er sprayt ihnen ein „Verpisst euch!“ an die Mauer, obwohl er kaum einen von ihnen je zu Gesicht bekommen hat. Eigentlich fühlt er sich selbst am meisten ausgegrenzt, in seiner Familie und in der Schule, hin- und hergerissen zwischen Stadt und Land, bäuerlicher Tradition und den Erfordernissen moderner Agrarwirtschaft. Um Anerkennung ringend, möchte er wenigstens seinen Jagdschein machen, um wie der Bruder, dem er die Freundin auszuspannen versucht, an den traditionell hoch angesehenen Treibjagden teilnehmen zu können. Doch auch das wird ihm verwehrt. Nur eines weiß Johannes genau: Schuld sind immer nur die anderen – und das hat Folgen.
In jeder Szene ist deutlich zu spüren, dass Henning Beckhoff in seinem Debütspielfilm weiß, wovon er erzählt. Denn der Absolvent der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf im Bereich Spiel- und Dokumentarfilmregie wuchs im nordrhein-westfälischen Ennepetal auf. Mit seinem Coming-of-Age-Film, der ausnahmsweise einmal nicht in einer gutbürgerlichen städtischen Szenerie angesiedelt ist, sondern auf dem Land spielt, setzt er sich kritisch und zugleich versöhnlich mit seiner alten Heimat und mit seiner dort verbrachten Jugend auseinander. Rein autobiografisch ist sein Film, der aus der subjektiven Perspektive von Johannes auf der verzweifelten Suche nach Orientierung erzählt wird, aber nicht. Den Stoff entwickelte er gemeinsam mit Jugendlichen aus NRW und besetzte um der Authentizität willen die Hautrollen zum Teil mit Laiendarstellern. Eine universelle und zugleich sehr spezielle Geschichte über die Suche nach Identität, die so noch kaum für das Kino erzählt und als Film bereits mehrfach ausgezeichnet wurde.
Holger Twele
Weitere Angaben
Filmtyp: Farbe
Sprachen: Deutsch
Untertitel: Englisch, Französisch