Fuck Fame
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Ein rauschhaftes Leben als Achterbahnfahrt. Im Jahr 2006 wird die erst 17jährige Anna Hartley, Künstlername Uffie, über Nacht zum Star der Elektropopszene. Es ist der Auftakt eines Jet-Set-Party Lebens zwischen Exzess und Depression. Die Tochter einer Japanerin und eines Engländers ist das Nomadenleben gewöhnt. Als Kind reiste Uffie ständig durch die Welt, bis der Vater über Nacht die Familie verließ. Als Teenager zieht Uffie nach Paris und lernt DJ Feadz kennen, der sie auf die Idee bringt zu singen. Ihr Song „Pop the Glock “ geht viral, über Nacht schießt Uffie kometenhaften in den Pop Himmel. Es folgen Anfragen von einem großen Label und Tourneen um die ganze Welt. Uffie ist die geborene Selbstdarstellerin, sie ist eigenwillig, schnoddrig, trashig, direkt, authentisch; sie flucht auf der Bühne, feiert exzessiv, sie lebt selbstbestimmt und wild. Aber mit der Selbstbestimmung ist es bald vorbei, das Management macht permanent Druck. Also wird noch mehr getourt, gefeiert, es werden immer mehr Drogen genommen, bis Uffie mit 21 Jahren schwanger wird. Aber auch jetzt schafft sie nur eine kurze Atempause, und beginnt bald wieder zu arbeiten. Das Rad dreht sich weiter: Druck vom Label, Touren, Drogen. Die kleine Tochter wird größtenteils von einer Nanny aufgezogen. Irgendwann zieht Uffie mit der Tochter nach Berlin. Die enorme Belastung, die Kunstfigur am Leben zu halten, ist mittlerweile so groß, dass Uffie sich ritzt. Ihre Arme sind mit Narben übersäht, selbst auf der Bühne ritzt sie sich. Sanitäter versorgen sie und weiter geht es. Niemand interessiert sich in diesem Business für die Gefühle der Akteure. Schuldgefühle und ein Mangel an Selbstachtung treiben Uffie an den Abgrund. Wegen des immensen Drogenmissbrauchs, vielleicht war es auch ein Selbstmordversuch, landet sie im Krankenhaus, sucht einen Therapeuten auf, befasst sich mit ihrer schwierigen Kindheit. Uffie versucht wieder Anna Hartley zu werden, aber das ist unglaublich schwierig.
Der Dokumentarfilm des Duos Lilian Franck und Robert Cibis begleitet die eigenwillige Künstlerin über ein ganzes Jahrzehnt ohne Jahre und Zeiten genau zu benennen. Die Inszenierung passt sich im Rhythmus ganz der radikal hedonistischen Selbstdarstellung der Musikerin an. Der Film macht sich zu ihrem Sprachrohr, Tagebuch, vielleicht sogar Therapeuten. Dabei lässt die Protagonistin die Filmemacher extrem nah an sich heran, sie zeigt intime Momente in Hotelzimmern, mit Musikproduzenten, beim saufen, koksen und wieder koksen. Die Drogenpartys wirken dabei kaum glamourös, Dreck und Absturz lauern überall. Uffie ist mal geschminkt und in grellen Klamotten, mal zerzaust und ungeschönt, dann wieder zeigt sie sich als sensibles Mädchen, das liegend mit großen Augen nach oben sieht und die Welt nicht zu verstehen scheint. Oft wirkt sie naiv und oberflächlich, dann nachdenklich und zerrissen. Ihre überbordende Energie wird immer wieder flankiert von heftigen Selbstzweifeln. Neben diesen sehr persönlichen Einblicken in das extreme Leben der Selfmade Musikerin der Partygeneration, wird die Musikindustrie als brutale und gnadenlose Maschinerie porträtiert. Hier geht es immer nur um Geld und Erfolg, und je kurzlebiger die Zeiten, desto härter der Druck. Und so verdeutlicht die Langzeitdoku auch, was es wirklich bedeutet eine Kunstfigur und ein Internetphänomen zu sein, wie hoch der persönliche Preis ist und zeigt eindrücklich, wie schmal der Grad zwischen Selbsterfindung und Selbstentfremdung ist.
Christiane Radeke