Einer von uns

Ein Supermarkt irgendwo in der österreichischen Provinz. Innen: ein verheißungsvolles Konsumparadies in trügerischer Farbenpracht. Draußen: kalter, grauer Beton, verlorene Existenzen und die, die es vielleicht mal werden. Julian ist 14 Jahre und während seine Freundin Kondome für den ersten Sex klaut, freundet er sich mit dem 16-jährigen Marko an, der gerade aus dem Knast kommt. Dessen Kumpel Viktor hat ein Auto, einen Sohn und weder Job noch Aussicht auf einen. Da kann sich Michael glücklich schätzen. Obwohl er die Schule abgebrochen hat, darf er im Supermarkt Regale einräumen und – wer weiß – eines Tages die Karriereleiter raufklettern. Zumindest stellt ihm das Marktleiter Winkler in Aussicht, der ansonsten damit beschäftigt ist, die Jugendlichen vom Parkplatz zu jagen. Unterstützt wird er dabei durch hiesige Polizeibeamte, deren Hauptbeschäftigung zu sein scheint, Jugendliche beim Kiffen und Ladendiebstahl zu erwischen. Und dann stirbt eines nachts ein Junge durch Schüsse zwischen den Supermarktregalen …

„Inspiriert von einer wahren Begebenheit“ lässt Stephan Richters Langfilmdebüt gleich zu Beginn wissen. Ein Jugendlicher bricht in einen Supermarkt ein und wird von einem Polizisten erschossen. Der Fall beschäftigte ganz Österreich. Richter beginnt und endet mit dieser Szene, so nah an der Wahrheit, wie es die Gerichtsakten und Zeugenaussagen zulassen. Der Rest ist Fiktion, so nah an der Wahrheit, wie es nötig ist. Nicht, um zu erklären, wie es zu der Tragödie kommen konnte. Nicht um Schuldige zu suchen und zu verurteilen. Nah genug an der Wahrheit, um das Leben der Menschen einzufangen, deren Schicksale mit dem Hoffnung verheißenden Betonklotz mitten im Nirgendwo verwoben sind. Nah genug an der Wahrheit, um das systemische Versagen zu entlarven, das hinter der Tragödie steckt. Richter setzt dabei auf überwältigende Bilder aus dem Supermarkt, ernüchternde Bilder von der Trostlosigkeit vor den gläsernen Schiebetüren. Und auf die Darstellung grundverschiedener Menschen, die nebeneinanderher leben, ohne je ihre Gemeinsamkeiten zu entdecken. Und deren verhärtete Fronten – vielleicht – letztlich ein Leben kosten.

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Frederik Schwarzer