Eine Geschichte von drei Schwestern

Film: Eine Geschichte von drei Schwestern
Länge:
108 Minuten
Altersempfehlung:
Ab 14 Jahren
FSK-Freigabe:
keine Angabe
Kinostart:
04.06.2020
Regie:
Emin Alper
Darsteller:
Cemre Ebüzziya (Reyhan), Ece Yüksel (Nurhan), Helin Kandemir (Havva), Müfit Kayacan (Vater), Kayhan Açikgöz (Veysel), Kubilay Tunçer (Necati Bey)
Genre:
Drama
Land:
Türkei, Deutschland, Niederlande, Griechenland, 2019

Genau genommen sind es drei Geschichten von drei Schwestern, die der türkische Regisseur und Drehbuchautor Emin Alper hier zu einer zusammengeführt hat. Es geht um die 20-jährige Reyhan, die 16-jährige Nurhan und um die jüngste Schwester Havva, die mehr oder weniger zwangsweise in ihr abgelegenes Bergdorf in Zentralanatolien zurückkehren mussten und nun wieder bei ihrem Vater leben. Die schon seit längerer Zeit verstorbene Mutter hatte sich immer gewünscht, dass ihre Töchter in der Stadt ihr Glück machen und dort heiraten würden. Deshalb hatte der Vater alle drei als Hausmädchen in der Stadt verdingt. Reyhan war als Erste bei dem Arzt Necati Bey und seiner Familie untergekommen, die sie, als sie schwanger war (von wem, lässt sich denken), zurückschickte. Zu Hause wurde Reyhan eilig mit dem Dorftrottel, dem Schafhirten Veysel, verheiratet und brachte dann Sohn Gökhan zur Welt. Danach kam Nurhan zu den Beys, wurde aber des Hauses verwiesen, weil sie einen der Söhne, einen Bettnässer, aus Verzweiflung geschlagen hatte. Nun soll die 13-jährige Havva, die auch bereits in der Stadt gedient hatte, an diese Arztfamilie vermittelt werden.

So unterschiedlich die Schwestern sind, so sehr sie immer wieder in Streit geraten, so verschieden sind auch ihre Schicksale und ihre Lebenserfahrungen. Und doch verknüpft sie ein enges emotionales Band, wie auch jede einzelne persönliche Geschichte mit der der anderen Schwestern verbunden ist. Alle drei, die übrigens im Gegensatz zu ihrem Vater lesen und schreiben können, wollen der Rückständigkeit ihres Dorfes entfliehen und setzen ihre ganze Hoffnung auf ein Leben in der Stadt. Bis ein schicksalsschwerer Abend alle Träume und Wünsche der jungen Frauen in Frage stellt.

Filmemacher Emin Alper, der selbst in den anatolischen Bergen aufgewachsen ist, erzählt in eindringlichen Bildern und intensiven Dialogen von der Chancenlosigkeit junger Menschen, Frauen wie Männer, in den abgelegenen Regionen der Türkei. Dabei setzt er der gesellschaftlichen Enge und Armut sowie dem Analphabetismus und Aberglauben wunderschöne Landschaftsbilder entgegen, die von einer unglaublichen Idylle zeugen, nach der sich Städter wie der Arzt Necati Bey sehnen. Er wiederum warnt die Töchter davor, zu viel Hoffnung in ein städtisches Leben zu setzen, in dem wahrlich nicht alles Gold ist, was glänzt. Und genau genommen haben die Schwestern das ja am eigenen Leib erfahren müssen. Wie die „drei Geschichten in einer“ am Schluss ausgehen, lässt Emin Alper offen. Auf jeden Fall aber haben Reyhan, Nurhan und Havva begriffen, dass sie stark genug sind, ihr Leben allein in die Hand zu nehmen. Und selbstbewusst genug, um ihren Vater, der ihnen die „Geschichte von den drei undankbaren Mädchen“ erzählen will, nicht zu Wort kommen zu lassen.

Barbara Felsmann

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