Docteur Knock
Docteur Knock, gespielt vom Ziemlich beste Freunde-Star Omar Sy, kommt in den 1950er Jahren als neuer Dorfarzt in ein idyllisches Nest irgendwo in der französischen Provinz. Der farbige Mediziner hat mit versteckten und direkten Anspielungen und Ressentiments gegenüber Schwarzen zu kämpfen. In Lorraine Lévys Komödie „Docteur Knock – Ein Arzt mit gewissen Nebenwirkungen“ löst Knock diese Probleme mit einem Lächeln oder dem richtigen Spruch auf den Lippen. So geht es in dieser raffinierten Komödie auch weniger darum, ob „ein Dorf schwarz“ sieht, sondern vielmehr um die Figur Knock selbst, ein Mann mit einem Geheimnis, der an seiner neuen Wirkungsstätte ein ganz bestimmtes Ziel verfolgt: Knock will alle Dorfbewohner zu seinen Patienten machen, egal, ob sie krank oder gesund sind. Er betreibt seine Praxis mit starrem Blick aufs Geld und redet auch den Gesunden irgendwelche Krankheiten ein, die er dann zu heilen versteht.
Lévys Film gehört also nicht allein zu jenen Komödien aus Frankreich der letzten Jahre, die soziale Vorurteile witzig aufspießen und ad absurdum führen, sondern der Film zeigt mit Docteur Knock auch einen Charakter, der stets milde lächelnd doch Böses im Schilde führt. Knock war früher ein Kleinkrimineller, der vor seiner Verhaftung auf ein Schiff floh, wo er sich gegenüber Besatzung und Passagieren als Schiffsarzt ausgab. Nachdem er an diesem Betrug Gefallen fand, studierte er tatsächlich Medizin und landete schließlich in der Provinz. Hier lebt er nun mit Charme und Raffinesse seine kriminelle Energie wieder voll aus – bis, ja bis ihn seine Vergangenheit doch wieder einholt und ihm zudem – wie es sich für einen französischen Film gehört – die Liebe in die Quere kommt.
„Docteur Knock – Ein Arzt mit gewissen Nebenwirkungen“ ist amüsant anzuschauen. Lévy liefert in Form der Gesellschaftskomödie ein differenziertes Plädoyer zum Umgang mit dem „Fremden“, der hier eben nicht nur mit einer, von Vorurteilen beladenen Umgebung zu kämpfen hat, sondern selbst ein Schurke ist. In Lévys Film bleibt das Schurkenhafte aber liebenswert. Dadurch unterscheidet sich die nunmehr dritte Verfilmung des Theaterstücks „Knock“, das Jules Romains in den frühen 1920er Jahren schrieb, deutlich von seinen Vorgängern und auch von den zahlreichen Inszenierungen, die immer wieder auf den Spielplänen französischer Theater stehen.
Romains skizzierte in seinem Stück den Prototyp eines bösen und verschlagenen „Menschenfängers“ vor dem Hintergrund der aufkommenden faschistischen Bewegungen im Europa der 1920er Jahre. Auch heute sind solche „Menschenfänger“ in Deutschland, Frankreich und überall in Europa wieder unterwegs und haben auch wieder erste Erfolge. Angesichts der aktuellen Zeitläufte hätte man bei einer Neuverfilmung des Stoffes, der aus unerfindlichen Gründen nun in den 1950er Jahren angesiedelt ist, eine größere Werktreue und damit einen klareren Zeitkommentar erwarten können.
Werner Barg