Djeca - Kinder von Sarajevo (OmU)

Die 23-jährige Bosnierin Rahima und ihr zehn Jahre jüngerer Bruder haben im Gegensatz zu ihren Eltern und etwa 200.000 anderen Menschen den Krieg in Bosnien (1992-1995) und die mehrjährige Belagerung von Sarajevo überlebt und sind im Waisenhaus aufgewachsen. Doch die Zeit des Wiederaufbaus in einem vom Krieg gezeichneten Land, in dem viele Menschen traumatisiert sind und resigniert haben, gestaltet sich als äußerst schwierig. Neue Eliten drängen an die Macht, es gilt das Recht der Stärkeren, überall herrscht Korruption. Junge Musliminnen wie Rahima haben es besonders schwer. Allein aus ihrem Glauben bezieht sie ihre Kraft, wobei das unablässig getragene Kopftuch ein Symbol des Widerstands ist und ihr auch Schutz vor dem Begehren der nicht selten machistisch agierenden Männer bietet. Die einst rebellische junge Frau arbeitet nach einer Ausbildung als Köchin bescheiden in einem Nobelrestaurant, um für sich und ihren jüngeren Bruder sorgen zu können. Diesen hat es völlig aus der Bahn geworfen. Er sieht sich als Opfer, rutscht in die Kriminalität ab und legt sich auch noch mit dem Sohn eines einflussreichen Politikers an.

Die 1976 in Sarajevo geborene Regisseurin und Filmdozentin Aida Begic, die wie ihre Hauptfigur Rahima bewusst Kopftuch trägt, machte bereits 2008 mit ihrem ersten Spielfilm „Snow“ international auf sich aufmerksam. In ihrem dritten Spielfilm verarbeitet sie sowohl eigene Erfahrungen aus der Nachkriegszeit wie auch die von 13- bis 15-jährigen Jugendlichen in einem Waisenhaus von Sarajevo, mit denen sie einen Workshop über deren Gewalterfahrungen durchgeführt hatte. Unablässig und hautnah folgt die ständig in Bewegung bleibende Handkamera im Film der Protagonistin, die in einer gesellschaftlich höchst instabilen Lage scheinbar aussichtslos um ihr Überleben kämpft. Dennoch setzt der authentisch, fast dokumentarisch wirkende Film, der im bosnischen Original mit deutschen Untertiteln zu sehen ist, mit einem offenen Ende wenigstens ein kleines Zeichen der Hoffnung.

Holger Twele