Die Sprache des Herzens

Eine Hand, die sich den Sonnenstrahlen entgegenreckt. Ein junges Mädchen in schmutizger Kleidung, mit dicken Stricken auf einem Kutschbock festgebunden. Doch sie schmiegt sich an ihren Vater. Auch er liebt seine Tochter, doch er will sie fortgeben in ein Kloster. Das Mädchen, das sich nicht vom Vater trennen will, sich von einer Nonne losreißt und auf einen Baum flüchtet, heißt Marie Heurtin.

Es hat dieses Mädchen wirklich gegeben. Es wurde 1885 blind und taub geboren. Weil sie als „junge Wilde“ als unerziehbar galt, wurde sie zu einer Last für die überforderte Familie. Deshalb will der Vater Marie als Zehnjährige in dem Kloster abgeben. Marguerite, eine junge Ordensschwester, bekommt von der Oberin den Auftrag, das Mädchen vom Baum herunterzuholen. Sie nimmt auf sehr sensible Weise mit der Taubblinden Kontakt auf. Doch dann stürzt Marguerite wegen einer ungelenken Geste Maries ab und die Mutter Oberin weist Maries Vater ab. Er muss Marie wieder mitnehmen. Marguerite lässt die Begegnung mit Marie nicht mehr los. Schließlich kann sie die Klosterleiterin überzeugen, das taubblinde Kind doch noch aufzunehmen. Die Mutter Oberin zweifelt, aber Marguerite, die selbst schwer lungenkrank ist, findet in dem Versuch, Marie helfen zu wollen, einen neuen wichtigen Lebenssinn. Zuerst empfindet Marguerite den Umgang mit der wilden widerspenstigen Marie als eine Qual. Dank ihrer großen Einfühlsamkeit gewinnt sie aber langsam das Vertrauen des Mädchens. So gelingt es ihr, auch gegen die Widerstände in ihrer Umgebung und trotz der eigenen Krankheit, Marie schließlich die Gebärdensprache beizubringen. Später erlernt die junge Frau auch die Blindenschrift. So kann Marie Zugang finden zur Welt um sie herum – und schließlich kann und muss sie loslassen von Marguerite, die ihr so sehr geholfen hat.

Der französische Regisseur Jean-Pierre Améris erzählt in „Die Sprache des Herzens“ die wahre Geschichte der Marie Heurtin ohne Sentimentalität. Mit viel Gespür für die menschlichen Zwischentöne und Gefühle fächert er die beginnende und schließlich intensive Freundschaft zwischen Marie und ihrer Mentorin Marguerite am Ende des 19. Jahrhunderts auf. Marie-Darstellerin Ariana Rivoire, selbst taub zur Welt gekommen, spielt das verstörte Mädchen mit großer Glaubwürdigkeit. Isabelle Carré zeigt ihre Figur, die selbst lebensgefährlich krank ist, als eine Persönlichkeit voller Energie und Herzenswärme. In der Rolle von Maries Mentorin kreiert sie zusammen mit Rivoire intensive Momente der Annäherung zwischen dem anfänglich störrischen Mädchen und ihrer fürsorglichen Lehrerin. So plädiert Améris Film gegen Intoleranz und dafür, Behinderung nicht als Makel zu betrachten. „Die Sprache des Herzens“ zeigt in den intensiven Lernprozessen Maries die Hoffnung auf eine Verbesserung ihrer Lebenssituation. Die Kameraführung von Virgine Saint-Martin findet zudem interessante Wege, Maries fehlende Sinne zu zeigen und ihren Entwicklungsprozess auch visuell darstellbar zu machen. Dadurch wird Améris‘ Film ein optisch ansprechendes, bewegendes und intensives Kammerspiel.

Blu-ray-Bildformat:1:1,85/1080p
Ton:dts HD 5.1 MA
Sprachen: Deutsch dts HD 5.1 MA/Französisch dts HD 5.1 MA

Werner Barg