Der Perlmuttknopf (OmU)

Film: Der Perlmuttknopf (OmU)
Länge:
82 Minuten
Altersempfehlung:
Ab 14 Jahren
FSK-Freigabe:
Ab 12 Jahren
Regie:
Patricio Guzmán
Darsteller:
Genre:
Dokumentation , Politischer Film
Land:
Frankreich, Chile u.a., 2015

Wenn der poetische Dokumentarfilm mit den Worten beginnt: Die ganze Welt befindet sich in einem Tropfen Wasser, so ist hiermit die universelle Kraft dieser filmischen Meditation über die Natur, das Weltall und das Wesen der Menschen beschrieben. Der Film beginnt mit betörenden Landschaftsaufnahmen aus der südlichsten Region Chiles, Patagonien, ein Land das eine besondere Geografie hat. Ein schmaler Streifen auf der Landkarte, mit über 4200 Kilometer langer Pazifikküste, gleich dahinter der schroffen Andenkamm. In einem weiten Inselarchipel jener Region lebten die chilenischen Ureinwohner in perfektem Einklang mit der unbarmherzigen Natur dieser Ausläufer Feuerlands. Ohne Kleidung, in selbst gebauten kleinen Paddelbooten, ernährte sie der Ozean zu jeder Jahreszeit. Doch diese Geschichte einer perfekten Harmonie von Mensch und Natur wird Ende des 19. Jahrhundert mit der Ankunft von Siedlern, Goldsuchern, katholischen Missionaren und selbsternannten „Indianerjägern“ brutal beendet. Was folgt ist ein bis heute nicht aufgearbeiteter Genozid an dem friedlichen indigenen Volk von Seenomaden. Eingeschleppte Krankheiten, rohe Gewalt und der ideelle Raub der naturverbundenen Identität durch die sogenannten Errungenschaften der Zivilisation beendeten die Existenz dieses kundigen Seefahrervolkes. In den 1990er Jahre dokumentierte die Fotografin Paz Errazuriz die wilde Schönheit der wenigen Überlebenden, die ihre Körper über und über mit Punkten bemalten, die Gesichter dabei verhüllten, damit selbst auf künstlerische Art zu einem Teil des Weltalls wurden. Denn nach dem Glauben dieses Volkes werden die Seelen der Toten zu Sternen. Das bekannteste Beispiel der Identitätsberaubung ist die Geschichte des Indianers Jemmy Button, der von englischem Seefahrer und Humanist Fitz Roy im Tausch gegen einen Perlmuttknopf nach England verschleppt wurde. Als er nach einem Jahr in seine Heimat zurückkehrte, war er nicht mehr derselbe Mensch. Im modernen Chile gibt es keine Tradition der Verbindung zum Ozean, der eher Angst bereitet. Die Menschen siedeln sich in den Bergen an.

Regisseur Patricio Guzmán schlägt nun einen weiteren Boden zu der überaus gewalttätigen jüngeren Geschichte seines Heimatlandes. Mit dem Putsch 1973 gegen die weltweit erste demokratisch gewählte sozialistische Regierung unter Salvador Allende beginnt eine Zeit des Schreckens. Tausende Gegner der Putschisten unter Pinochet verschwinden in den geheimen Lagern, werden grausam gefoltert und schließlich im Meer versenkt. Ein Lager befindet sich genau auf einer der Inseln jenes Archipels. Und hier schließt sich auch auf furchtbare Weise der Kreis. Von den an ein schweres Schienenstück befestigten Opfer, die im Meer versenkt wurden um jede Spur zu tilgen, ist mitunter nur ein einziger Knopf als Hinweis auf menschliches Leben übrig geblieben. Dem 75-Jährigen Regisseur, der aus dem Off mit ruhigen Worten kommentiert, gelingt mit dem ausschweifenden Essayfilm eine eindrückliche Geschichtsstunde. Er gibt den wenigen überlebenden Ureinwohnern eine Stimme, in deren Sprache es bezeichnenderweise weder für „Gott“ noch für „Polizei“ ein Wort gibt, ebenso den Überlebenden des Schreckensregimes unter Pinochet. Er verknüpft diese politischen Ereignisse mit seinen Reflektionen über die Kulturgeschichte des Wassers und schafft so eine universelle Aussage über die Schönheit der Natur und das grausame Wesen der Menschen, über Gewalt, Macht und Zivilisation, und verknüpft dies mit seinen philosophischen Betrachtungen auf emotionale Art und Weise. Die Stärke dabei sind die Bilder, die sichtbar machen, was über Generationen verdrängt wurde, und wenn dies ein Knopf ist, der die ganze Geschichte erzählt. Auf der Berlinale 2015 gab es dafür völlig zu Recht den Preis für das beste Drehbuch, außerdem international weitere zahlreiche Preise und Nominierungen.

Christiane Radeke

Weitere Angaben

Filmtyp: Farbe

Sprachen: Spanisch DD 5.1

Anbieter

Kauf-DVDRealFiction Filmverleih

Anbieterangaben beruhen auf Informationen zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (25. Woche 2016).