David Copperfield - Einmal Reichtum und zurück
Über die Jahre wurden die Erzählungen des britischen Schriftstellers Charles Dickens, der von 1812 bis 1870 lebte, immer wieder für das Kino verfilmt. Prominente Beispiele sind Roman Polańskis Gesellschaftsdrama „Oliver Twist“ und das Animationswerk „Disneys Eine Weihnachtsgeschichte“, das unter der Regie von Robert Zemeckis entstand. Armando Iannucci, der Erfinder der preisgekrönten Politserie „Veep – Die Vizepräsidentin“, reiht sich nun mit einer Adaption des Romanklassikers „David Copperfield“ ein.
Obwohl er ohne Vater aufwächst, weil dieser noch vor seiner Geburt verstorben ist, führt der Titelheld mit seiner Mutter Clara ein unbeschwertes Leben. Als er eines Tages die Familie seiner Nanny besucht, stehen ihm allerdings schreckliche Veränderungen bevor. In seiner Abwesenheit heiratet Clara den herzlosen Edward Murdstone, der den kleinen David fortan mit strengen Lernmethoden drangsaliert und nicht davor zurückschreckt, ihn gewaltsam zu maßregeln. Irgendwann schickt sein Stiefvater ihn zum Arbeiten nach London, wo der Junge in einer Flaschenfabrik ausgebeutet wird. Den Tod seiner Mutter nimmt der einige Jahre später zu einem Mann herangewachsene David schließlich zum Anlass, seinem beschwerlichen Dasein den Rücken zu kehren. Hilfe erhält er bei seiner wohlhabenden Tante Betsey Trotwood. Vor neuen Rückschlägen ist der Waise jedoch nicht gefeit.
Das Auf und Ab im Leben der Hauptfigur kündigt schon der deutsche Untertitel an. Davids Weg verläuft stets nur eine Zeitlang in geordneten Bahnen. Wie in der Romanvorlage beschreibt der zu einem Schriftsteller avancierte Protagonist seinen turbulenten Werdegang aus einer rückblickenden Sicht und greift immer wieder kommentierend in das Geschehen ein. Regisseur und Ko-Drehbuchautor Iannucci betont den selbstreflexiven Ansatz gleich zu Anfang, indem er den erwachsenen David Zeuge seiner eigenen Geburt werden und diese mit pointierten Bemerkungen begleiten lässt. Wiederholt hebt der Film zudem auf das Verhältnis von Realität und Fiktion ab. Seine persönliche Entwicklung teilt Copperfield in Kapitel ein. Und mehr als einmal streift die Literaturadaption die Frage, welche Ereignisse man ausschmücken und welche man unterschlagen sollte, um eine möglichst aufregende Lebensgeschichte vorzulegen.
Die Lust am augenzwinkernden Fabulieren spiegelt sich auch in der optischen Gestaltung und der Inszenierung wider. Manche Bilder rutschen buchstäblich nach unten weg, um Platz für eine neue Einstellung zu machen. Und einige Erinnerungen, die im Dialog zur Sprache kommen, laufen im Hintergrund als Projektionen ab. Iannucci zieht alle möglichen Register, um für Abwechslung zu sorgen. Hin und wieder wirken die Kunstgriffe aber auch ein wenig zu forciert. Bemerkenswert ist in jedem Fall das flotte Tempo, das „David Copperfield – Einmal Reichtum und zurück“ anschlägt. Der Film entpuppt sich als lebhafter Streifzug durch ein viktorianisches England, in dem schräge Typen und skurrile Situationen an jeder Ecke auf den Protagonisten warten. Zeit zum Innehalten lässt die episodenhafte, mit unglaublicher Energie vorwärtsdrängende Handlung nur selten, was ein wenig auf Kosten der einschneidenden Charaktermomente geht. In einigen Szenen hätte man sicher länger verweilen und die jeweiligen Erfahrungen stärker aufsaugen können. Unterhaltsam bleibt die neue Dickens-Verfilmung dennoch. Auch, weil die überraschend divers aufgestellte Schauspielerriege mit ansteckender Leidenschaft bei der Sache ist.
Christopher Diekhaus