Cursed – Die Auserwählte
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Berühmte Mythen und Legenden sind ein schier unerschöpflicher Fundus, aus dem sich Film- und Fernsehmacher gerne und häufig bedienen. Besonders oft bearbeitet wurde etwa die tief ins Mittelalter zurückreichende Sage um Artus und sein wundersames Schwert Excalibur. Erst im Frühjahr 2019 war in den deutschen Kinos Joe Cornishs Neuinterpretation „Wenn du König wärst“ zu sehen, die den althergebrachten Stoff in die Jetztzeit verlagert und einen zwölfjährigen Jungen ins Zentrum einer abenteuerlichen Geschichte stellt. Mit „Cursed – Die Auserwählte“ ist nun eine Variation der klassischen Artus-Erzählung gestartet, die auf Frank Millers und Tom Wheelers gleichnamiger Graphic Novel basiert.
Ähnlich wie im Horrordrama „Gretel & Hänsel“, einer kürzlich veröffentlichten Auffrischung des bekannten Grimm-Märchens um zwei im Wald verlorene Geschwister, nimmt die zehn Folgen umfassende Netflix-Serie eine betont weibliche Perspektive ein. Hauptfigur ist hier, anders als üblich, die Sagengestalt Nimue, die als Teenagerin mit besonderen Gaben in Erscheinung tritt und dem natur- und magieverbundenen Volk der Fey angehört. Die Fey sind dem fanatischen, die Christianisierung rücksichtslos vorantreibenden Pater Carden und seinen brutalen Handlangern, den sogenannten Roten Paladinen, ein Dorn im Auge. Immer wieder werden ganze Ortschaften niedergebrannt und deren Bewohner getötet. Da König Uther Pendragon um seine Macht bangt, lässt er den meuchelnden Mönchsrittern bei ihrem grausamen Treiben freie Hand. Als eines Tages das Heimatdorf Nimues einem Angriff zum Opfer fällt, erhält die Heranwachsende von ihrer sterbenden Mutter ein geheimnisvolles Schwert und den Auftrag, die Waffe einem gewissen Merlin zu bringen. Jenem Zauberer, aus dem ein verlotterter Trinker in Jack-Sparrow-Manier geworden ist. Auf ihrer Flucht begegnet die junge Frau kurz darauf dem Söldner Arthur, der ihr in einer brenzligen Situation zu Hilfe eilt.
Schon zu Beginn wird deutlich, dass Nimue keine gewöhnliche Fey-Vertreterin ist, sondern sich durch ihre starken magischen Fähigkeiten abhebt. Wie mehrere Rückblenden verraten, machen eben diese Eigenschaften die Protagonistin innerhalb des Dorfes zu einer verspotteten und angefeindeten Außenseiterin. Immer wieder muss sie sich anhören, dass sie eine Hexe sei. Und selbst ihr Vater wendet sich aus Angst vor ihren Kräften von ihr ab. Der deutsche Untertitel lässt es bereits erahnen – im Verlauf der Serie wird Nimue die Rolle der Ausgegrenzten abstreifen und sich zu einer Vorkämpferin aufschwingen.
Die Grundidee ist fraglos spannend. In den Episoden eins bis vier, die für diese Kritik gesichtet wurden, läuft die manchmal erstaunlich blutige und mit einigen comicartigen Animationsszenen angereicherte Reise der Heldin allerdings noch recht holprig ab. Gelegentlich verhält sich Nimue arg unbedarft und ruft gerade dadurch ihre Feinde auf den Plan. In den Dialogen werden manche Dinge überexplizit ausformuliert. Einzelne Erzählbausteine wecken Erinnerungen an Tolkiens Fantasy-Klassiker „Der Herr der Ringe“, dessen epische Tiefe die Serie trotz großer Bedrohungen und zahlreicher Handlungsorte in der ersten Hälfte nicht erreicht. Nimues Weggefährte Arthur, der auch als mögliches love interest in Stellung gebracht wird, sieht mehr nach einem strahlenden Prinz Charming aus, weniger wie ein zwielichtiger Straßendieb. Und auch der Auserwählten selbst fehlt es an Ecken und Kanten, obwohl ihre Hintergrundgeschichte tragisches Potenzial besitzt. Hauptdarstellerin Katherine Langford, die mit der umstrittenen Netflix-Saga „Tote Mädchen lügen nicht“ ihren Durchbruch feierte, macht keine schlechte Figur, besitzt aber noch nicht die schauspielerische Klasse, um die Schwächen in der Charakterzeichnung komplett zu übertünchen.
Bemerkenswert an „Cursed – Die Auserwählte“ ist vor allem eines: Die Serienschöpfer Frank Miller und Tom Wheeler sind erkennbar darum bemüht, eine diverse Story-Welt zu entwerfen, in der Probleme der Gegenwart gespiegelt werden. Nicht nur Arthur, auch einige andere wichtige Personen werden von People of Color gespielt. Die Roten Paladine verkörpern das schreckliche Übel der Intoleranz. Und sicher nicht zufällig spielt das Leid der Fey auf die heutigen Flüchtlingsdramen an.
Christopher Diekhaus
Weitere Angaben
Filmtyp: Farbe