Blinded By The Light
Javed ist 16 Jahre alt und lebt mit seinen pakistanischen Eltern im Jahr 1987 in der tristen Arbeiterstadt Luton. Sein bester Kumpel ist Matt, der ihn von Kindheitstagen an verteidigt hat. Denn Javed sieht nicht nur anders aus, er ist auch extrem schüchtern. Sein Vater regiert als dominantes Oberhaupt die Familie. Die beiden Schwestern sollen verheiratet werden, auch für Javed will der Vater eine pakistanische Braut suchen. Aber Javed hat ganz andere Träume. Er schreibt, seit er denken kann, Schriftsteller möchte er werden. Diese hochtrabenden Flausen will der Vater ihm austreiben. Pakistanis haben hart zu arbeiten und nicht aufzufallen. Gar nicht so leicht. Skinheads besprühen die Wände des kleinen Vororts mit Hassparolen, die Nachbarskinder pinkeln durch den Briefschlitz der Pakis. Es ist die Eiserne Ära von Margret Thatcher, Rezession, Arbeitslosigkeit, soziale Kälte, eine gespaltene Gesellschaft. Javed ist verträumt, aber zielstrebig. Und dann ist da noch die freche Mitschülerin Eliza, politische Aktivistin, in die Jarved heimlich verliebt ist. Der coole Roops, auch Pakistani, drückt Javed eines Tages eine Cassette von Bruce Springsteen in die Hand. An einem besonders dunklen Tag, an dem Javed an allem verzweifelt, entdeckt er die Songs. Die Texte treffen mitten in sein Herz und machen ihm Mut, seine Träume zu verwirklichen. Doch dann gibt es Ärger ausgerechnet mit Matt und seit der Vater arbeitslos ist, lastet auf Javed noch mehr Druck.
Die indisch stämmige Regisseurin Gurinder Chadha, der 2002 mit Kick it like Backham ein Welterfolg gelang, zaubert mit dem Coming-of-Age-Film eine Menge 80er Jahre Zeitcolorit auf die Leinwand. Es ist eine Hommage an Bruce Springsteen, liebevoll von seinen Fans „the Boss“ genannt, seine Arbeiterklassen Texte, die vor allem junge Männer auf der ganzen Welt ansprechen. Ob „everybody has a hungry heart“ oder „sometimes I feel so weak, I just want to explode“ – die Texte passen für den jungen Protagonisten in allen Lebenslagen und machen ihm Mut, seinen eigenen Weg zu finden.
Einige Musikeinlagen lockern die Geschichte auf, ebenso viel eingeblendete Songtexte. Bei aller Nostalgie trifft der Film aber auch ins Schwarze der heutigen Zeit, in der Nationalisten überall auf der Welt, aber auch in Großbritannien die Gesellschaft spalten. Die Geschichte basiert auf dem autobiografischen Roman des Journalisten Sarfraz Manzoor „Greetings from Bury Park“. Leider weist der unterhaltsame und berührende Jugendfilm einige Längen auf, vor allem wenn es am Ende etwas zu rührselig wird, ganz in der Tradition der britischen Working Class Hero Komödien. Dafür gibt es erhellende Einblicke in das Leben von Einwanderern, ihre Konflikte zwischen Tradition und westlicher Gesellschaft, und ihre Träume auf ein besseres Leben werden mit sorgfältig gezeichneten Nebenfiguren lebendig.
Christiane Radeke