Black Mirror

Film: Black Mirror
Serienstart:
11.12.2013
Staffel:
1
Folgen:
3
Länge der Folgen:
44-62 Minuten
Altersempfehlung:
Ab 16 Jahren
FSK-Freigabe:
Ab 16 Jahren
Regie:
Otto Bathurst, Euros Lyn, Brian Welsh
Darsteller:
Shawn Aldin-Burnett (Passerby), Rory Kinnear (Michael Callow), Lindsay Duncan (Alex Cairns), Tom Goodman-Hill (Tom Blice), Donald Sumpter (Julian Hereford), Anna Wilson-Jones (Jane Callow), Lydia Wilson (Prinzessin Susannah), Allen Leech (Pike) u.a.
Genre:
Science-Fiction , Thriller , Drama , Horror
Land:
Großbritannien, 2011

Nach der Meinung der Experten ist das Video echt: die Prinzessin von Wales ist entführt worden und sitzt gefesselt und verängstigt auf einem Stuhl in einem Bekennervideo, das dem Premierminister von Großbritannien vorgeführt wird. Eine grauenerregende Situation für alle Beteiligten. Dann stellt der Premier die Frage nach den Forderungen der Entführer. Geld? Die Freilassung von möglichen Gesinnungsgenossen aus den Gefängnissen? Schuldenerlass für die sogenannte „Dritte Welt“? Doch diese Dinge wären geradezu profan im Vergleich zu der nach den Aggressoren einzigen Möglichkeit, die Prinzessin frei zu bekommen: in wenigen Stunden soll der Premierminister live im britischen Fernsehen Geschlechtsverkehr mit einem Schwein haben.

Zu behaupten, dies verstoße gegen den guten Geschmack wäre eine hochgradige Untertreibung. Doch aus dem, was sich als kruder, amoralischer Aufhänger für eine Serie liest, macht die Anthologieserie Black Mirror eine gleichsam bösartige wie treffende Mediensatire, die aufzeigt, wie sehr sich die Menschen mitunter von dem stetigen Fluss an Informationen und Überspitzungen mitreißen lassen, ohne im Vorfeld auch nur einen Gedanken an die Menschen aus Fleisch und Blut zu verschwenden, die von den Auswirkungen des Medienspektakels betroffen sind. Denn natürlich wandelt sich die öffentliche Wahrnehmung, visualisiert durch verschiedenste Ortschaften, an denen Menschen den Skandal auf den Bildschirmen verfolgen, im Laufe der ersten Episode dahingehend, dass der Premier sich den Forderungen beugen soll. Schließlich steht womöglich das Leben der beliebten Prinzessin auf dem Spiel. Am Ende bleibt nur Leere, Ekel, seelische Zerstörung. Man soll bekanntlich vorsichtig sein mit dem, was man sich wünscht, denn es könnte wahr werden. Hier werden die Menschen direkt mit dem konfrontiert, was die Medien ihnen suggerieren, sehen zu wollen. Die Augen von Zuschauern, denen langsam bewusst wird, dass das Beiwohnen an der Ausübung der perversen Szenerie keine hedonistische Befriedigung mit sich bringt, gehören dann auch folgerichtig zum subtilen Highlight des Serienstarts.

Aber, was genau ist eigentlich eine Anthologieserie? Es bedeutet, dass man den Premier aus der ersten Folge nie wieder sehen wird, denn in jeder Episode treten neue Schauspieler in anderen Rollen auf. Jede Geschichte spielt in einem anderen Universum, losgelöst von dem vorherigen. Jede Folge erzählt eine ganz eigene Geschichte. Die verbindende Klammer ist die Auseinandersetzung mit der Medienwelt von heute, oft weitergedacht in leicht futuristischen Kontexten. So leben in der zweiten Episode Menschen in einer Gesellschaft, in der sie ihre Wirtschaftsleistung durch den Konsum von stumpfen Reality-TV-Formaten oder Pornographie erwirtschaften, während sie zur Stromerzeugung für die freieren „Eliten“ den ganzen Tag auf Trainingsfahrrädern in die Pedalen treten. Dabei geht es nicht darum, warum, wann und wie es zu dieser Konstellation gekommen ist, sondern nur um die Auswirkungen auf den Geist und das Fühlen der Menschen. Und auch wenn sich die Prämisse der zweiten Episode leicht plakativ liest, findet Black Mirror auch hier zu durchaus pointierten Aussagen, zur kalten Logik der unendlichen Verwertbarkeit von Personen und Ideen. Fast unnötig zu sagen, dass sie dabei auch die Erwartungshaltung des Zuschauers untergräbt.

Black Mirror ist gut darin, den Zuschauer aus seiner „comfort zone“ zu holen, ihn also mit Dingen zu konfrontieren, die man wahrscheinlich nicht erwartet hätte. Wer würde beispielsweise mit einer Hinterfragung von unmenschlichen Strafsystemen rechnen, die in ihrer Ambivalenz selbstredend der vereinfachenden medialen Einbindung konträr läuft? Oder ob es sinnvoll ist, den Trauerprozess, der nach dem Tod eines geliebten Menschen unendlich schmerzvoll aber nötig ist, künstlich zu unterbrechen?

Auch wenn man Black Mirror wahrscheinlich schnell den Vorwurf des Zukunftspessimismus machen könnte und auch wenn die Serie weit von technikfreundlichen Utopien wie etwa dem Star Trek-Universum entfernt ist, verbietet sich die Serie eine allzu vereinfachende, allzu plakativ-schwarzmalerischere Haltung. Sie bietet eine bunte Mischung für jeden Geschmack an. Manche Folgen sind eher Kammerspiele, andere arbeiten mit Action. Manche sind eindeutiger, andere subtiler. Manche boxen das Publikum in den Magen, wieder andere rühren es zu Tränen. Es ist der Reiz des Unbekannten, die Experimentierfreudigkeit, die selbst die schwächeren Episoden zu unterhaltsamen Angelegenheiten macht. Wenn die jeweilig gezeigte Welt dann nach dem Ende der Folge erlischt und man sein Bild in dem schwarzen Spiegel vor sich erblickt (sei es nun Fernsehschirm, Laptop oder Smartphone), dann hat die Serie im besten Fall einen Denkprozess initiiert, der womöglich zu einer Neubewertung in der Kontextualisierung von Medien führt. Man kann Black Mirror auch „nur“ als spannende Unterhaltung konsumieren, aber es ist ihr Vermögen darüber hinaus zu wachsen, das die Serie so besonders macht.

Jan Noyer

Weitere Angaben

Filmtyp: Farbe

Streaming-Anbieter

Angaben beruhen auf Informationen zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (50. Woche 2013).