Benedetta

Der niederländische Regisseur Paul Verhoeven hat in Filmen wie „Basic Instinct“, „Robocop“, „Total Recall – Die totale Erinnerung“, „Showgirls“ oder zuletzt vor fünf Jahren „Elle“ immer wieder auf provokante Weise das Zusammenspiel von Macht, Gewalt, Sex und Religion erkundet. So auch in seinem jüngsten Alterswerk, das auf einem Sachbuch der US-Autorin Judith C. Brown von 1988 über die italienische Nonne Benedetta Carlini (1591-1661) beruht.
Worum es in „Benedetta“ geht:
Im 17. Jahrhundert wird die neunjährige Benedetta in ein Kloster in Pescia gebracht, wo sie zu einer „Braut Christi“ ausgebildet wird. 18 Jahre später hat sie Visionen mit Jesus und entwickelt Stigmata an Händen und Füßen. Zugleich lernt sie durch die ungestüme Nonnenschülerin Bartolomea, die von ihrem Vater missbraucht wurde, die Freuden der Lust kennen. Die Äbtissin Felicita misstraut jedoch Benedetta und beobachtet sie beim heimlichen Sex mit Bartolomea. Die ehrgeizige Nonne Christina beschuldigt Benedetta sogar, sich die Wundmale selbst beigebracht zu haben. Katholische Kirchenführer sehen jedoch in Benedetta eine Prophetin und treiben Christina durch eine harte Strafe in den Freitod. Als Felicita ihr Amt als Äbtissin an Benedetta verliert, reist sie nach Florenz, um den päpstlichen Nuntius einzuschalten. Er soll klären, ob Benedetta eine Betrügerin ist.
Lohnt sich der Film für dich?
Auch mit 83 Jahren zeigt Verhoeven, wie souverän und unterhaltsam er noch immer die Trickkiste der Skandalisierung und des Tabubruchs nutzen kann. Etwa wenn er in diesem überdrehten Genremix aus Historiendrama, Erotikfilm und Kirchensatire nicht nur reichlich nackte Haut im Nonnenkloster zeigt, sondern mit vulgärem Humor auch schildert, wie eine hölzerne Marienfigur zum Dildo umfunktioniert wird. Verhoeven schreckt nicht vor brutalen Gewaltspitzen zurück, etwa wenn Benedetta sich in einer sadistischen Tat als skrupellose Manipulatorin betätigt. Und er scheut sich auch nicht, Anleihen bei trashigen Horrorfilmen der britischen Hammer Studios zu nehmen, wenn er den Todessturz Christinas vor einem blutrot gefärbten Himmel zeigt.
Immer wieder fährt der Film, der mit Virginie Efira, Daphné Patakia und Charlotte Rampling gleich drei exzellente Darstellerinnen aufbietet, schweres Geschütz gegen missbräuchliche klerikale Machtstrukturen vor allem gegenüber Frauen auf, meidet aber allzu plakative Religionskritik. Besonders reizvoll: Es bleibt offen, ob Benedetta ihre religiösen Visionen nur simuliert hat oder nicht.
Reinhard Kleber
Weitere Angaben
Filmtyp: Farbe