Ausgeflogen
Für die alleinerziehende dreifache Mutter Héloïse, die neben der Kindererziehung auch noch ein eigenes Restaurant leitet, und ihre jüngste Tochter Jade ist es gleichermaßen nicht einfach, plötzlich voneinander Abschied nehmen zu müssen. Jade möchte in Kanada studieren und verlässt als Letzte von drei Geschwistern das Nest, das ihr so lange Wärme und Geborgenheit gegeben hatte. Ihr schwieriger Abnabelungsprozess hinterlässt Narben, zumal ihr großer Traum, endlich einen Fallschirmsprung absolvieren zu dürfen, von der Mutter kategorisch abgelehnt wird. Héloïse wiederum kann nicht fassen, dass das Nesthäkchen so schnell selbstständig und erwachsen geworden ist und sie sich nun als Single komplett neu orientieren muss. Anstatt die verbliebenen Tage mit Jade zu genießen, hält sie jeden Moment nervend mit der Handykamera fest, um auf diese Weise Erinnerungen zu speichern. Als das Handy verloren geht, ist dies dank einer darauf installierten Tracking-App der Ausgangspunkt für eine wilde Verfolgungsjagd mit der ganzen Familie, bei der Héloïse und Jade die Erfahrung machen, dass Familienzusammenhalt und Neuanfang sich gegenseitig nicht ausschließen.
Lisa Azuelos, die Tochter der französischen Schauspielerin und Chansonsängerin Marie Laforêt, hatte 2008 mit „LOL – Laughing out Loud“ ihren internationalen Durchbruch, wobei sie im amerikanischen Remake von 2012 ebenfalls die Regie übernahm. Ihr neuer Film ist im besten Sinn des Wortes eine typisch französische Familienkomödie, so wie sie in Deutschland kaum entstehen könnte. Denn es sind vor allem kleine Alltagsbegebenheiten und private familiäre Probleme, die hier wortgewaltig und zugleich charmant erzählt werden. Vor allem das ausdrucksstarke Spiel von Sandrine Kiberlain macht diese teils in Rückblenden erzählten Geschichten so lebendig und sehenswert, wobei der Film zwar auf sie fokussiert, Jades Perspektive aber ebenfalls berücksichtigt. Thaïs Alessandrin in der Rolle von Jade ist die Tochter der Regisseurin und schrieb auch am Drehbuch mit, was dem Film eine zusätzliche biografische Note verleiht. Und zwischen den Zeilen reflektiert der Film auch die enge Beziehung der Franzosen zu ihrer Filmgeschichte und zur Filmkunst, etwa wenn Jade vollkommen perplex ist, dass ihr neuer Freund noch nie etwas von Jean-Luc Godard gehört hat.
Holger Twele
Weitere Angaben
Filmtyp: Farbe
Sprachen: Deutsch, Französisch
Untertitel: Deutsch