Schloss aus Glas
Ende der 1980er Jahre ist die aufstrebende Klatschkolumnistin Jeannette Walls in der New Yorker High Society angekommen. Gemeinsam mit ihrem Verlobten David führt sie ein sorgenfreies Leben, das die junge Frau allerdings in Frage stellt, als sie durch Zufall ihre Eltern Rex und Rose Mary auf der Straße im Müll herumwühlen sieht. Nach dieser Begegnung, bei der sich Jeannette verschämt zur Seite duckt, drängen immer häufiger Erinnerungen an ihre ungewöhnliche Kindheit an die Oberfläche, die von ständigen Umzügen und großer Armut geprägt war. Im Zuge der Auseinandersetzung mit ihrer Vergangenheit, die sie bislang stets verheimlicht hat, entschließt sich Jeannette, ihren Vater und ihre Mutter zu besuchen und ihnen David vorzustellen.
2005 erschien die Autobiografie „Schloss aus Glas“, in der die Journalistin Walls ihre Lebensgeschichte rekapituliert. Ein höchst aufwühlendes Buch über eine ungewöhnliche Familie, in der Freiheit, Abenteuer und Elend nebeneinander existieren. Gemeinsam mit Andrew Lanham arbeitete Independent-Regisseur Destin Daniel Cretton (Short Term 12 – Stille Helden) den Erfahrungsbericht in ein Filmskript um, mit dem schließlich einige prominente Namen angelockt werden konnten. Während Oscar-Preisträgerin Brie Larson (ausgezeichnet für Raum – Liebe kennt keine Grenzen) recht überzeugend das Hadern der erwachsenen Jeannette mit ihrer Kindheit greifbar macht, liefert Charakterkopf Woody Harrelson als liebenswerter, aber ebenso rücksichtsloser Vater eine kraftvoll-facettenreiche Performance ab, die nachhaltig im Gedächtnis haften bleibt. Vor allem in den Rückblenden wird der Zuschauer Zeuge eines unkonventionellen Lebensstils, dem sich Rex und seine Ehefrau mit Haut und Haaren verschreiben. Selten hält es die Walls-Familie für längere Zeit an einem Ort. Ständig drücken Geldsorgen. Des Öfteren gibt es Ärger mit den Behörden. Und immer wieder locken neue Herausforderungen. Die Kinder müssen den regelmäßigen Wandel über sich ergehen lassen und sind manchmal komplett auf sich allein gestellt, wie schon zu Anfang eine erschütternde Episode unterstreicht. Als die kleine, hungrige Jeannette – hier gespielt von Chandler Head – ihre Mutter bittet, Essen zu kochen, erklärt ihr die leidenschaftliche Malerin Rose Mary, dass ihre Kunst gerade wichtiger sei, da sie länger Bestand habe als eine schnell verputzte Mahlzeit. Das Mädchen stellt sich daraufhin selbst an den Herd und landet nur wenig später mit schlimmen Verbrennungen im Krankenhaus. Egoismus und Verantwortungslosigkeit legt auch Jeannettes Vater an den Tag, wenn er das wenige Geld, das der Familie zur Verfügung steht, für seine Alkoholsucht aus dem Fenster schmeißt. Parallel zu den beklemmenden Eindrücken vermittelt das unangepasste Nomadendasein allerdings auch ein ansteckendes Gefühl von Freiheit, das auf ähnliche Weise in der berührenden Tragikomödie Captain Fantastic – Einmal Wildnis und zurück beschworen wird. Rex ist nicht nur ein ungehobelter Säufer, sondern ebenso ein fantasievoller Träumer und einfühlsamer Welterklärer, der sich nicht an Lehrbücher klammern will. Auf den Punkt gebracht wird sein faszinierendes, wankelmütiges, ambivalentes Wesen im titelgebenden Schloss aus Glas. Einem Solar-Gebäude, das er seinen Liebsten errichten will und dessen Pläne ihn fortlaufend beschäftigen, ohne dass er sie jemals verwirklichen würde. Leider lässt das Drehbuch die Nuancen, die im Spiel der Darsteller zum Vorschein kommen, gerade in der zweiten Hälfte vermissen, die zu sehr in klassisch-versöhnliche Hollywood-Muster verfällt und forcierte Emotionen über Wahrhaftigkeit stellt. Ein Manko, das den Gesamteindruck dann doch ein wenig nach unten zieht.
DVD Extras: Entfallene Szenen, Making of, Featurettes, Interview, Trailer
Blu-ray Extras: Entfallene Szenen, Making of, Featurettes, Interview, Trailer
Christopher Diekhaus
Weitere Angaben
Filmtyp: Farbe
Sprachen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch